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Neue Westfälische , 23.02.2009 :

Frank Gockel fällt in Ungnade / Aachener Friedenspreisträger unter Druck

Von Hubertus Gärtner

Paderborn. Frank Gockel gilt als unerschrockener Mann. Er kämpft gegen Neonazis und setzt sich immer wieder für die humanitären Interessen von Flüchtlingen ein. Weil Gockel im Bürener Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" den Vorsitz führt, durfte er vor zweieinhalb Jahren sogar den Aachener Friedenspreis in Empfang nehmen. Der Ruhm ist mittlerweile aber verblasst.

Ausgerechnet bei diversen Flüchtlingsorganisationen ist Gockel heute in Ungnade gefallen. Vielleicht war er zu forsch, zu undiplomatisch. Vielleicht griff er zum falschen Mittel. Vielleicht hat er aber auch zu viele Wahrheiten zum falschen Zeitpunkt öffentlich gemacht. Darüber lässt sich streiten.

Im Sommer vergangenen Jahres hatte Gockel mit seinem Bürener Verein jedenfalls wieder einmal für einen Paukenschlag gesorgt: Wie von dieser Zeitung berichtet, wurde Strafanzeige gegen die Bundespolizei auf zwölf Abschiebeflughäfen in Deutschland erstattet. Grund: Gockel und seinem Verein war zu Ohren gekommen, dass Ausländer auf den Flughäfen vor ihrer Abschiebung angeblich mehrere Stunden lang in Zellen eingesperrt werden.

Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" gab beim Bielefelder Strafrechtler Sebastian Nickel ein Gutachten in Auftrag. Für Rechtsanwalt Nickel ist die Sache immer noch sonnenklar: Wenn Ausländer, die weder aus der Abschiebehaft noch aus der Strafhaft heraus abgeschoben werden sollen, in eine Zelle gesperrt werden, dann stellt dies eine Freiheitsberaubung dar, sagt er. Nur ein Richter könnte eine solche Maßnahme anordnen, was auf den Flughäfen aber offenbar so gut wie nie geschehe.

Die Strafanzeigen brachten aber nicht das Ergebnis, welches sich Gockel erhofft hatte. Sie wurden eingestellt. Nur in Hamburg und Bremen laufen noch die Ermittlungen. Zudem hatte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Oktober 2008 bestritten, dass es zu Freiheitsberaubungen auf den Flughäfen komme. Die Rückzuführenden verbrächten "die Wartezeit" zwar in "Räumlichkeiten der Bundespolizei", jedoch "nicht in Hafträumen", so die Antwort der Bundesregierung.

Man könnte das einfach glauben und dann zur Tagesordnung übergehen. Gäbe es nicht das Forum Flughäfen in Nordrhein-Westfalen (FFiNW). Es wurde im Jahr 2000 gegründet und tagt geheim. Im FFiNW sind alle mit der Abschiebung befassten Stellen wie die Ausländer- und Polizeibehörden, das Innenministerium, die Wohlfahrtsverbände, Kirchen und verschiedene Initiativen wie zum Beispiel amnesty international vertreten. Alle haben sich zur Verschwiegenheit verpflichtet, wollen aber "bei Flugabschiebungen ... zu einer verstärkten Transparenz und Sachverhaltsaufklärung beitragen".

Moderator des FFiNW ist Jörn-Erik Gutheil. Man erreicht ihn im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland. In einem internen Schreiben hatte Gutheil unlängst genau jene Praxis dargelegt, wonach Abzuschiebende auf dem Flughafen in Düsseldorf häufig vor dem Abflug in einer Zelle (Gewahrsamraum) der Bundespolizei ohne richterlichen Beschluss eingesperrt werden. Nun will sich Gutheil dazu partout nicht mehr äußern. Es komme ihm vor allem darauf an, "dass das Forum funktioniert".

Ähnlich zugeknöpft geben sich auch andere Vertreter im FFiNW. Nur hinter vorgehaltener Hand lassen sie durchblicken, dass sie "stocksauer" auf Frank Gockel sind, weil dieser mit seinen Strafanzeigen "vorgeprescht" sei und aus „internen Papieren zitiert“ habe. Auch Gertrud Heinemann vom Flüchtlingsrat NRW ist der Ansicht, dass Gockels Strafanzeigen "kontraproduktiv gewesen sind", weil dadurch der "wichtige Dialog" mit der Bundespolizei im FFiNW angeblich gefährdet wurde. In der Sache "distanzieren wir uns aber nicht", sagt Heinemann, die in Bielefeld wohnt.

Auch Frank Gockel bleibt unbeugsam. "Acht Jahre gibt es nun Dialog im FFiNW, aber an der Situation hat sich trotzdem nichts geändert", kritisiert er. Gockel hofft nun, einen konkreten Einzelfall zu finden.

Bürener Verein

Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren" wurde am 19. Mai 1994 gegründet. Hintergrund war die Inbetriebnahme der Abschiebehaftanstalt Büren. Der Verein hat nach eigenen Angaben rund 50 Mitglieder. 13 davon sind Betreuerinnen und Betreuer, die Menschen in der Abschiebehaft unterstützen. Motivation ist die Ablehnung der Abschiebehaft; sie fordern deshalb ihre Abschaffung.

Bildunterschrift: In der Kritik: Der Bürener Menschenrechtler Frank Gockel.


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