Lippische Landes-Zeitung ,
20.05.2004 :
Demo und Grünen-Angriff / Front für Günay Muradova wird größer
Von Stefan Derschum
Detmold. Mit der Aussage der Detmolder Stadtverwaltung, dass Günay Muradova am kommenden Dienstag unwiderruflich abgeschoben werden müsse, ist der öffentliche Widerstand gegen diese Terminierung nicht abgeebbt. Im Gegenteil: Die Detmolder Bündnisgrünen haben die Verwaltung für ihre Positionierung nach einer stundenlangen und letztlich ergebnislosen Lösungssuche am Dienstag, die Günay Muradova noch einen etwa siebenwöchigen Aufschub bis zur Fachoberschulreife eröffnen sollte, massiv kritisiert. Außerdem hat der Verein "Paulines Töchter" neben den 500 Unterschriften des Leopoldinums seinerseits mehr als 600 Unterschriften für die derzeit in Bielefeld lebende Schülerin gesammelt.
Am Dienstagnachmittag hatte die zuständige Fachbereichsleiterin Annegret Sandbothe die Unumstößlichkeit des Rückführungstermins für die 19-Jährige, ihre zwei Geschwister und die Mutter damit begründet, dass die Familie eine Frist bis zum 8. April trotz Aufforderung nicht wahrgenommen habe. Bei der Ausländerbehörde sollte die Familie Muradova die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreiseerklärung nutzen. Das war nicht passiert. Da die Passersatz-Papiere der Betroffenen am 28. Mai ablaufen, und eine Abschiebung nach Ende der Gültigkeit nicht möglich ist, wurde am 9. April das Verfahren eingeleitet. Annegret Sandbothe hatte erklärt, dass es für die Stadt nur bis zum 8. April Gestaltungsmöglichkeiten gegeben habe.
Die Bündnisgrünen widersprachen gestern "entschieden" dieser Darstellung, dass ein Aufschub für Günay Muradova nicht möglich sei. "Hier versteckt sich Frau Sandbothe hinter formaljuristischen Argumenten, die zudem nicht stichhaltig sind, um ihre Entscheidung nicht inhaltlich und menschlich vertreten zu müssen", sagte Sozialausschussmitglied Friedhelm Böger.
In der Kritik der Bündnisgrünen heißt es, dass die Passersatz-Papiere bis zum 28. Mai befristet seien, begründe keine Pflicht zur Abschiebung. Viel mehr könne in Kooperation mit der Botschaft eine Verlängerung erreicht werden. Damit sei der rechtliche Weg dafür frei, dass die Schülerin am Leopoldinum noch ihren Schulabschluss machen könne. Wenn am 8. April noch eine rechtlich tragfähige Regelung hätte gefunden werden können, dann sei dies heute juristisch auch noch möglich.
Petra Schröder-Heidrich, Pressesprecherin der Stadt, wies auf Anfrage im Zusammenhang mit den Vorwürfen darauf hin, dass die Aserbeidschanische Botschaft nach Auskunft der Zentralen Ausländerbehörde in Bielefeld Passersatz-Papiere grundsätzlich nicht verlängere.
Unterdessen hat sich der Bielefelder Strafverteidiger und Anwalt der Familie Muradova, Dr. Holger Rostek, mit einem kategorischen Appell zu Wort gemeldet: "Es ist undenkbar, wenn dieses Mädchen jetzt ausreisen muss." Man könne sich nicht auf Rechtsvorschriften zurückziehen und müsse sie schlicht unberücksichtigt lassen, wetterte der Jurist. "Paulines Töchter" gehen einen anderen Weg: Sie haben für Montag, 24. Mai, um 15.30 Uhr eine Demonstration vor dem Detmolder Rathaus geplant.
Günay Muradova lebt seit Mitte April in Bielefeld. Die Mutter wurde festgenommen, da mit mit dem Wegzug aus Detmold gegen Verfahrensauflagen verstoßen worden war. Die Tochter, die Vorwürfe in Richtung ihrer Detmolder Anwältin ob einer falschen Beratung wiederholt, hat mittlerweile resigniert: "Ich habe alles ausprobiert. Jetzt habe ich wohl keine Möglichkeiten mehr."
20./21.05.2004
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