www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische , 14.02.2009 :

Forum der Leser / Strauss war kein Regimekritiker / Zu "Wundertüte Theater", Nr. 27/2009

Ich stimme Ihrer Kritik der Aufführung der Strauss-Oper "Capriccio" weitestgehend zu. Insbesondere ist es der Regisseurin gelungen, aus diesem teilweise spröden Konversationsstück einen zumindest im 2. Teil recht kurzweiligen Abend zu machen. Bei der Premierenfeier hatte ich Gelegenheit, Helen Malkowsky zu fragen, wen sie mit dem Gefangenen assoziiert habe, der während des Monologs des Theaterdirektors im 2. Teil in Handschellen über die obere Galerie geführt wurde. Sie antwortete mir, dass sie an Strauss selbst gedacht habe ( ... ).

Das hat mich irritiert. Strauss als Gefangenen des Nationalsozialismus zu betrachten, scheint mir recht gewagt. Er hat Komponisten wie Schönberg, Webern, Berg etc. als "atonale Bolschewiken" bezeichnet. Auf dem Hintergrund der damaligen Zeit ist das eine Sprache, die eine – vorsichtig formuliert – extrem konservative Gesinnung erkennen lässt.

1933 wurde Strauss zum Präsidenten der Reichsmusikkammer ernannt. Als solcher hat er zumindest nichts dagegen unternommen, dass die Kompositionen vieler Künstler, nicht zuletzt die von Mahler, von den deutschen Spielplänen verschwanden ( ... ).

1934 gehörte Strauss zu den Unterzeichnern des "Aufrufs der Kulturschaffenden" zur "Volksabstimmung" über die Zusammenlegung des Reichspräsidenten- und Reichskanzleramts. Dass er durch seine Zusammenarbeit mit Stefan Zweig 1935 zum Rücktritt als Reichsmusikkammer-Präsident gezwungen wurde, macht ihn wahrlich nicht zum heimlichen Regimekritiker und auch nicht zum Gefangenen des Systems.

( ... ) Mit diesen Bemerkungen möchte ich die ansonsten sehr gelungene Regieleistung von Frau Malkowsky keineswegs schmälern. Ich finde es nur schade, dass Strauss durch die besagte Szene in ein Licht gerückt wird, das ihm absolut nicht gebührt.

Dr. Wolfgang Classen
Werther

14./15.02.2009
redaktion@neue-westfaelische.de

zurück