Neue Westfälische ,
18.05.2004 :
Warten auf eine Zukunft ohne Perspektive / Im größten Abschiebegefängnis Deutschlands in Büren sitzen 260 Häftlinge ein / Initiativen prangern auf Paderborner Treffen Missstände an
Von Hubertus Gärtner
Büren. Der evangelische Pfarrer Burkhard Schmidt (44) hat keinen leichten Job. Er arbeitet als Seelsorger im bundesweit größten Abschiebegefängnis in Büren im Kreis Paderborn. Die Haftanstalt wurde 1994 eingerichtet. Sie sei für viele Menschen "die Endstation Sehnsucht", sagt Schmidt.
Etwa 30.000 Personen wurden hier bislang gefangen gehalten, 180 werden jeden Monat abgeschoben. Abschiebehaft ist keine Strafe, sondern eine Maßnahme gegen mögliches Untertauchen. Sie wird auf Antrag der örtlichen Ausländerbehörden durch einen Richter angeordnet, wenn "ein begründeter Verdacht" vorliegt.
Nach Angaben des Anstaltsleiters Peter Möller betrug die durchschnittliche Verweildauer der Gefangenen in Büren sieben Wochen, maximal darf sie 18 Monate dauern. Bei den meisten Insassen handelt es sich um abgelehnte Asylbewerber, aber auch Illegale und einige ausländische Straftäter sitzen regelmäßig ein und werden von hier aus in ihre Heimatländer abgeschoben.
In letzter Zeit ist es um den Knast im Bürener Wald ruhiger geworden. Weil die Einrichtung vor einigen Jahren noch mit mehr als 500 Häftlingen voll gestopft war, glich sie lange einem Pulverfass. Hungerstreiks, Suizidversuche und Demonstrationen waren an der Tagesordnung. Heute sitzen noch 260 Häftlinge aus 60 Nationen ein.
Grund für den Rückgang ist laut Möller, dass die Einreise in die Bundesrepublik vom Gesetzgeber erschwert wurde. So gelangen weniger Asylbewerber nach Deutschland. "Wir können uns nun mehr um Einzelschicksale kümmern." Möllers 180 Mitarbeiter, darunter 40 Angestellte eines privaten Sicherheitsdienstes, hätten seit Bestehen der Anstalt "viel dazugelernt" und "interkulturelles Verständnis entwickelt". Die Haftbedingungen habe man auch erleichtert. "Es gibt Arbeits- und Besuchsmöglichkeiten."
Pfarrer Burkhard Schmidt bestätigt das: "Die Mitarbeiter sind im Umgang mit den Häftlingen versierter geworden." Den meisten hilft das aber nur wenig. Das Schlimmste im Abschiebeknast sei die Perspektivlosigkeit. Alle Illusionen vom besseren Leben in Deutschland seien wie eine Seifenblase zerplatzt. In ihrer Heimat erwarte die Häftlinge Elend oder das Nichts. Manchem drohe sogar Folter. Obwohl nach deutscher Rechtssprechung niemand in ein Land abgeschoben werden darf, wo politische Verfolgung oder Folter droht, sei das "im Einzelfall nicht auszuschließen", so Schmidt. Wenn er "begründete Sorgen" hat, schaltet er den Petitionsausschuss des Landes ein. "Manchmal habe ich Erfolg." Seine Arbeit stoße in der Öffentlichkeit auf "immer weniger Akzeptanz". Im derzeitigen politischen Klima sind Sorgen von Asylbewerbern kaum gefragt.
Diese Erfahrung macht auch der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft". Seit Bestehen des Gefängnisses kümmert er sich um die Insassen. In den letzten zehn Jahren hätten 7.000 Häftlinge um Hilfe gebeten, sagt der Vorsitzende Frank Gockel. Ginge es nach dem Verein, gäbe es gar keine Abschiebehaft. "Strenge Meldeauflagen würden ausreichen und den Betroffenen sehr viel Leid ersparen."
Er kritisiert die oft sehr "langen Prozeduren" und die besondere Härte des Paderborner Amtsgerichtes. Die Anhörung der Gefangenen, die einer Entscheidung über die Fortsetzung der Abschiebehaft vorausgehen muss, dauere dort "nur drei bis vier Minuten". "Manchmal wartet der Richter nicht einmal eine Antwort ab", sagt Gockel.
Auf einem "Vernetzungstreffen" wollen Abschiebehaftgruppen und -initiativen am Wochenende in Paderborn Missstände anprangern. Auch soll es in Büren eine Demonstration mit bundesweiter Beteiligung geben. Dass die Mitarbeiter des Vereins eine wichtige "Wächter-Rolle" spielen, weiß Möller: "Die lassen sich viele Sorgen aufladen. Ich habe eine ganz hohe Meinung von denen."
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