Lippische Landes-Zeitung ,
14.05.2004 :
Dunkle Geschichte ganz privat / Staatsarchiv zeigt Ausstellung über Feldpost
Detmold (Sam). Sie verbindet "Heimat" und "Front". Sie befördert Ängste, Sehnsüchte, vorgespielte Wirklichkeit, ideologische Verblendung, nacherzählte Grausamkeit: die Feldpost. Diesem privaten Medium ist eine Ausstellung gewidmet, die die Zeit des Zweiten Weltkriegs beleuchtet und heute im Staatsarchiv Detmold eröffnet wird. Dabei wird unverblümt deutlich, dass es die "saubere Wehrmacht" nicht gab, sondern dass von ihren Soldaten Kriegsverbrechen begangen wurden.
23 Tafeln mit Briefausschnitten, Postkarten und Fotos zeigt das Staatsarchiv an der Willi-Hofmann-Straße. Die Exponate stammen allesamt aus ostwestfälisch-lippischen Beständen. Die Quellen zeigen, was der Krieg aus den Menschen macht. So beschreibt ein Lagenser im April 1942 in einem Brief an seine Familie, wie grausam seine Einheit gegen das Umfeld von Partisanen vorgeht: "Was vor unsere Rohre kommt, wird dabei erschossen - ganz gleich, ob Frau, ob Kind." Für Stadtarchivar Dr. Andreas Ruppert ein eindeutiger Hinweis auf ein Kriegsverbrechen.
In einem anderen Brief bedankt sich ein Soldat aus Herford, der seinen Angehörigen 1941 während des Russland-Feldzugs schreibt, für "Muttis sechs Päckchen".
Und im nächsten Satz schildert er, dass 1000 Partisanen aufgehängt worden seien und "wie Puppen am Kasperltheater" baumelten.
Die Ausstellung zeigt auch, wie wenig die jungen Soldaten an eine Niederlage glaubten und sich im Krieg wie Touristen aufführten. Viele schickten Filmrollen mit Aufnahmen von Kampfhandlungen, vom Baden am Strand, vom Eiffel-Turm in Paris oder anderen Motiven nach Hause. Die fertig entwickelten Fotos wurden von den Angehörigen zurück an die Front geliefert.
Deutlich wird aber ebenso die Angst, die an der Front herrschte. So schrieb Wilhelm Mellies, der nach dem Krieg Karriere in der SPD machte, an den letzten Präsidenten des Lippischen Landtages, Heinrich Drake, in drastischer Lanzersprache: "Entweder wir haben Schwein, dann sehen wir die Heimat noch mal wieder. Oder wir bekommen hier einen kalten Arsch, dann haben wir eben Pech gehabt."
Begleitet wird die Ausstellung von Werken der Detmolder Künstlerin Christa Niestrath. Sie hat Feldpost-Briefe collagenartig mit Fotos, Fotokopien und Zeichnungen kombiniert und dem großen Ganzen eine freundliche, geradezu signalartige Farbigkeit gegeben. Der Effekt: Von weitem sieht alles nach Urlaubsstimmung, nach Strandatmosphäre aus - erst bei der Betrachtung aus der Nähe erschließt sich der ernste Hintergrund.
Und über ein weiteres Element verfügt die Ausstellung: Auf bisher noch freien Stellflächen können die Besucher Kopien von Feldpost aus der eigenen Familie anbringen.
Die Ausstellung wird heute um 17 Uhr eröffnet. Sie ist bis Freitag, 23. Juli, montags von 8 bis 18.30 Uhr, dienstags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr zu sehen.
detmold@lz-online.de
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