Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
13.01.2009 :
Die Zeit im Paderborner Idyll / Annelies Laschitza erinnert an Karl Liebknecht, der vor 90 Jahren ermordet wurde
Paderborn (nw/au). Die Domstadt kann eine Reihe berühmter Töchter und Söhne vorweisen. Dazu viele Persönlichkeiten, die einen Lebensabschnitt hier verbracht haben. Dass jedoch selbst der bekannte internationalistische Sozialist und Antimilitarist Karl Liebknecht Ende des 19. Jahrhunderts in Paderborn gelebt hat, ist nicht sehr bekannt.
Anlässlich des 90. Todestages am 15. Januar von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erinnert Prof. Dr. Annelies Laschitza (Berlin) in Paderborn an die Ikone der kommunistischen Arbeiterbewegung. Die Historikerin und Autorin referiert auf Einladung des Linken Forums am heutigen Dienstag um 20 Uhr in der Cafeteria der Kulturwerkstatt über den Lebensweg Liebknechts, der ihn auch an die Pader führte.
Damals verfasste der spätere Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (1918/19) bereits sozialkritische Gedichte. Zunächst studierte Karl Liebknecht an der Universität seiner Geburtsstadt Leipzig sowie später in Berlin Rechtswissenschaften, Nationalökonomie, Geschichte und Philosophie. Im Anschluss absolvierte der damals 22-Jährige seinen einjährigen Wehrdienst in Berlin.
Im Herbst 1894 schließlich begann die Referendarzeit Karl Liebknechts, die in zunächst für einige Monate nach Arnsberg verschlug. In dieser Kleinstadt im Sauerland sei er als "unruhiger Geist" mit einem "tiefen Gemüt" vereinsamt, zitiert Annelies Laschitza in ihrem Buch "Die Liebknechts. Karl und Sophie – Politik und Familie" (Aufbau Verlag, 2007). In Hamm habe er bei einer Referendarversammlung den Saal verlassen, als er für die politischen Ansichten seines Vaters Wilhelm, bedeutender Anführer der SPD, angegriffen worden sei.
Freundlicher Empfang dann in der nächsten Station: in Paderborn haben Freunde des Vaters, die Familie von Dr. med. Max Baruch, den Justiz-Referendar aufgenommen, schreibt Laschitza. "Sie haben ihm die fremde Stadt zu einer Heimat gemacht, seiner Verbannung – denn das ist es – den Stachel genommen", schrieb Karls Vater Wilhelm Liebknecht dankbar in einem Brief an Dr. Baruch.
Wie die Historikerin recherchierte, hat Karl Liebknecht im Gartenlokal von Wirt Heitheker, Stammkneipe der Referendare des Königlichen Amtsgerichts am Rothoborn, gern einen Schoppen Wein getrunken. "Was war die Paderborner Idylle doch vergnüglich und gemütlich", schwärmte Karl Liebknecht 1902 in einem Brief an Max Baruch, als er bereits mit seinem Bruder Theodor eine Kanzlei an der Spandauer Brücke in Berlin führte. Er denke "oft mit viel Behagen und einer Art Sehnsucht, möchte ich beinah sagen, an dieses Erdenwinkelchen zurück".
Baruchs Tochter Paula habe für Karl Liebknecht geschwärmt und ihn porträtiert, schreibt Annelies Laschitza. Das Bild soll Paula später Karls Bruder Theodor geschenkt haben. Der habe berichtet, dass Karl in Westfalen "eine neue Welt aufgegangen" sei.
Liebknecht hätte Aufschluss über den Katholizismus bekommen, den "besonderen Menschenschlag der westfälischen Bauern" sowie "den eigentümlichen Stolz des Hochadels" entdeckt. Leute, die Karl Liebknecht damals kennen lernten, beschrieben ihn als sympathisch und fleißig, schildert die Historikerin. Abends habe er im Schein der Petroleumlampe noch über den Akten im Gericht gesessen, während die Kollegen schon lange daheim waren.
Seine Doktorwürde erlangte der spätere Politiker an der Universität Würzburg ab, seine Dissertation ("Kompensationsvollzug und Compensationsvorbringen nach gemeinem Rechte") erschien laut Wikipedia in Paderborn (Heydeck).
Gegen die Kriegspolitik
Karl Liebknecht, geboren 1871, hatte laut Wikipedia prominente Taufpaten: Karl Marx und Friedrich Engels. Von 1900 bis zu seinem Ausschluss 1916 ist Liebknecht Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und vertritt als Abgeordneter im Reichstag (1912 - 1916) den linksrevolutionären Flügel. 1914 stimmt er als einziger Reichstagsabgeordneter gegen die erste Verlängerung der Kriegskredite und wird 1916 wegen seiner Ablehnung der Burgfriedenspolitik aus der SPD ausgeschlossen. Ab 1914 bestimmt Karl Liebknecht mit Rosa Luxemburg die Linie der "Gruppe Internationale" (des späteren Spartakusbundes) mit. Wegen der Veranstaltung einer Anti-Kriegs-Kundgebung wird er 1916 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. 1918 wird Liebknecht begnadigt, gründet den Spartakusbund als parteiunabhängige revolutionäre Organisation neu und proklamiert erfolglos die "freie sozialistische Republik". Kurz nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes wird er 1919 ebenso wie Rosa Luxemburg von Freikorpsoffizieren in Berlin ermordet.
Bildunterschrift: "Sympathisch und fleißig": Karl Liebknecht als Referendar.
Bildunterschrift: Altes Dokument: Ein Briefumschlag, adressiert an Dr. Max Baruch in Paderborn, Westfalen, von Karl Liebknecht aus Berlin.
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