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WebWecker Bielefeld , 12.05.2004 :

Neues deutsches Land?

Während eines Konzerts der Band Mia im JZ Kamp wurden eine dunkelhäutige Besucherin und ihre Freundin von drei Männern mit Kurzhaarfrisur und Springerstiefeln angegriffen. Das NPD-Organ "Deutsche Stimme" hatte im Januar die Band dafür gelobt, dass sie sich für "ein entspannteres Verhältnis zur eigenen Nation" stark macht.

Von Mario A. Sarcletti

Die 13-jährige Paula C. (Name geändert) hatte sich wie viele andere Teenager so richtig auf das Konzert der Berliner Popband Mia am 30. April gefreut. Anders als für die restlichen Konzertbesucher war der Abend für sie jedoch bereits nach dem zweiten Song beendet. "Plötzlich wurde ich von drei Männern mit ganz kurzen Haaren umringt und bekam eine Kopfnuss", erzählt die dunkelhäutige Schülerin. "Und meiner Freundin, die nur Sandalen anhatte, sind sie mit Springerstiefeln auf die Füße getrampelt", schildert sie den Zwischenfall. Die drei Angreifer hätten schwarze Kleidung getragen, mehr hätte sie bei dem ausverkauften Konzert nicht erkennen können. Nach dem Vorfall verließen die beiden Mädchen das Jugendzentrum.

Volker Hagen vom Kamp staunt, als der Webwecker ihm den Vorfall beschreibt, der ihm leid tut. "Solche Leute kommen bei uns eigentlich überhaupt nicht rein", beschreibt er den Umgang des Jugendzentrums mit rechter Klientel. "Ich habe alle Leute von uns, die an dem Abend da waren, gefragt: Die haben solche Typen nicht gesehen", sagt Volker Hagen. "Das Beste wäre gewesen, wenn die beiden Mädchen sich direkt bei der Security gemeldet hätten. Dann kann man den Leuten direkt ein Hausverbot geben", empfiehlt Hagen. Die 13-Jährigen gingen stattdessen gefrustet nach Hause, wollen jetzt aber Anzeige erstatten.

Volker Hagen wundert sich über den Vorfall auch, da an dem Abend verstärkte Security eingesetzt worden sei. "Wir hatten extra Leute an die Tür gestellt, an denen keiner vorbei kommt, der nach rechts aussieht", erklärt er. Die Maßnahme wiederum verwundert nicht. Denn Mia sorgte wegen ihres Songs "Was es ist" für Diskussionen, auch im Kamp wurde über das Konzert vorab diskutiert. Denn die Band, deren Stil oft als Elektropunk bezeichnet wird, propagiert in dem Lied ein neues, unverkrampfteres Verhältnis zu Deutschland.

So heißt es in dem Text: "Fragt man mich, woher ich komme, tu ich mir nicht mehr selber leid". Andreas Hartmann fragte deshalb in der Frankfurter Rundschau: "Klingt so der neue Soundtrack zur Walser Debatte?" Die taz schrieb über den Song: "Es ist was es ist: saudämlich". Gar nicht dämlich, sondern sehr schlau codiert kommt die Botschaft von "Was es ist" daher. Offensichtlich wird die Intention der Band vor allem in der Zeile "wohin es geht, das woll’n wir wissen und betreten neues deutsches Land". Was dieses "neue deutsche Land" für seine Bewohner bringt, sagte Sängerin Mieze dem Musikmagazin Soundmag: "Jetzt kann man sich wieder kollektiv auf die Schulter klopfen". Dass Deutschland im Golfkrieg Teil des "alten Europa" war, sei ein Auslöser für das Kulturprojekt "Angefangen" gewesen, der Song sei Teil dieses Versuchs ein neues Verhältnis zu Deutschland zu entwickeln.

Ansonsten ist die Botschaft des Liedes erst auf den zweiten Blick ersichtlich. So tauchen im Refrain die Nationalfarben auf: Auf den schwarzen Kaffee folgt der rote Mund, bevor mit einem Klick die gelbe Sonne aufgeht. In Fotos auf ihrer Homepage kokettiert die Band ebenso mit den Farben, wie eine hippe Modesignerin aus Köln, die sie für ihre Pop-Mode verwendet. "Das Label "Deutsch" steht nicht mehr, wie es sein sollte, für den Zivilisationsbruch der Massenvernichtung, nicht mehr für das Land der Täter und deren Schuld, sondern für das geklärte Verhältnis zur Vergangenheit", kritisierte die Wochenzeitung Jungle World das Eindringen des Nationalen in den Popdiskurs.

Dass das NPD-Organ Deutsche Stimme sich darüber freut ist verständlich: "Nach den Erfolgen von Rammstein und den Aussagen des Liedermachers Heinz Rudolf Kunze scheint sich hier also eine weitere prominente Stimme der deutschen Popkultur für ein entspannteres Verhältnis zur eigenen Nation starkzumachen", lobt ein Artikel mit dem Titel "Chiffren nationaler Normalisierung" in der Januarausgabe des NPD-Blattes. Die Vorherrschaft der Linken in der Jugendkultur sei damit "zumindest spürbar angekratzt", heißt es da. Der "feine Elektropunk" dürfte "auch Freunde der musikalischen "Schwarzen Szene" ansprechen", schreibt die Deutsche Stimme.

Anscheinend sind einige dieser Freunde der Empfehlung gefolgt. Wie singt Mieze noch in "Was es ist": "Ich riskier was für die Liebe, ich fühle mich bereit." Ob die Band mit ihrer Liebe zu Deutschland auch riskiert, dass auf ihren Konzerten Skinheads auftauchen, die dunkelhäutige Mädchen anpöbeln, konnte nicht geklärt werden. Ein Vertreter des Labels Respect or Tolerate lehnte eine Stellungnahme gegenüber dem WebWecker ab. Auch zum Lob von Rechtsaußen wollte er sich nicht äußern.


webwecker@aulbi.de

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