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Lippe aktuell , 17.03.2004 :

Wissenschaftliche Publikation über Hexenverfolgungen in Detmold

Detmold (jus). Im Rahmen der Sonderveröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe ist jetzt der Band "Hexen in Detmold" im Verlag für Regionalgeschichte erschienen.

Ingo Koppenberg hat sich in dieser wissenschaftlichen Studie mit den sozialen Beziehungen der Verfolgenden und der Verfolgten, ihren alltäglichen Konflikten, die erheblich zur rasanten Ausbreitung des Hexenwahns im 16. und 17. Jahrhundert führten, auseinandergesetzt. Spezifische Determinanten wie Alkoholkonsum, Klatsch, Ehrverhalten und Verfluchungen begünstigten ein Klima der Angst und Unsicherheit, ein Boden für die Ausbreitung von Gerüchten, Beschuldigungen und Anklagen und Hexenverfolgungen. Beteiligt an den Hexenprozessen waren nicht nur Frauen und Männer. Die Aussagen von inhaftierten Kindern und Jugendlichen belegen, dass auch sie nicht nur Opfer, sondern auch Förderer von Verfolgungswellen waren.

Während bisher der Blick bevorzugt auf die juristischen Verfahren der verfolgenden Obrigkeit gelegt wurde, rückt diese Studie die sozialen Beziehungen der Verfolgenden und der Verfolgten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ausgehend von der Hypothese, dass die täglichen Konflikte unmittelbar beteiligter Personen erheblich zum Verständnis der Dynamik der Hexenverfolgungen beitragen können.

In Detmold sind zwei Verfolgungsperioden, die von 1653/54 und die zwischen 1657 und 1661, auszumachen. Während sich die Folgen der demographischen Umbrüche nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges in den nachbarschaftlichen Spannungen der ersten Verfolgungswelle niederschlugen, lagen die Gründe der zweiten Prozesswelle primär in innerfamiliären Streitigkeiten. Innerhalb der Verfolgungsphasen waren dann weniger die Schadenszaubervorwürfe als die Besagungen besonders die Aussagen inhaftierter Kinder für die Dynamik weiterer Hexereianklagen von Bedeutung. Dabei bietet auch die für die Grafschaft Lippe zentrale Inhaftierung von Kindern in einem zum Gefängnis umgebauten Detmolder Gasthaus die Möglichkeit, diese Kinder und Jugendlichen in der Komplexität ihrer Aussagen nicht nur als Opfer, sondern auch als Förderer der Verfolgungswellen zu identifizieren. Speziell Kinderaussagen verschärften die für die zweite Detmolder Verfolgungsperiode so ausschlaggebenden Familienkonflikte erheblich. Zu den weitgehend ungeklärten Fragen zählen die strukturellen Grundlagen und Begleiterscheinungen der Hexereibeschuldigungen, die Thema im abschließenden Kapitel sind.

Der städtische Klatsch diente als Informationsaustausch über magische Vorstellungen bis sich diese im allgemeinen Gerede zum Gerücht über Verdächtige verdichteten. Verfluchungen und Hexereivorwürfe wurden dann häufig im Alkoholrausch ausgesprochen. Dieser Zusammenhang zwischen dem affektiven Sozialverhalten und den Hexereianschuldigungen in der frühen Neuzeit ist noch nicht annähernd aufgearbeitet. Die sozialen Konflikte in der frühen Neuzeit belegen, dass es sich hier keineswegs um eine vorzeitliche Idylle der Toleranz und Mitmenschlichkeit handelte, welche durch die spätere Industrialisierung und Konsum und Leistungsgesellschaft verdrängt wurde. Zudem verdeutlichen dem heutigen Leser aber gerade die innergesellschaftlichen und familiären Motive für die Verfolgungen deren Aktualität, denn gesellschaftliche Ausgrenzung ist wahrlich kein ausschließliches Thema der frühen Neuzeit. Es sieht ganz so aus, als bewege man sich in zeitlosen Zwistigkeiten.

Zeittypisch hingegen waren die Dämonologie und das Rechtssystem, dessen man sich bediente, um persönliche Konflikte zu einer Sache der Obrigkeit und der Gemeinschaft zu machen. Die wissenschaftliche Arbeit von Ingo Koppenberg "Hexen in Detmold - Verfolgung in der lippischen Residenz 1599 - 1669" ist im Verlag für Regionalgeschichte erschienen und kostet 24,00 Euro.


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