Lippische Landes-Zeitung ,
25.11.1991 :
Roma-Verfolgung in Rumänien nicht ausgeschlossen / Verfassungsgericht hebt Asylbeschluss auf
Karlsruhe/Detmold. Mit Beschluß vom 8. November hat nach Informationen der Flüchtlingshilfe Detmold das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden, mit dem das Verwaltungsgericht Minden einen Asylantrag eines in Detmold lebenden Roma aus Rumänien als offensichtlich unbegründet eingestuft hat, aufgehoben, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Das Bundesverfassungsgericht habe bemängelt, dass die Frage einer Gruppenverfolgung der Roma in Rumänien nicht hinreichend geprüft worden sei.
Da keine gefestigte obergerichtliche Rechtssprechung zur Gruppenverfolgung der Roma in Rumänien vorliege, könne der Asylantrag eines Roma aus Rumänien nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eindeutige und widerspruchsfreie Auskünfte und Stellungnahmen sachverständiger Stellen vorlägen. Dies sei bei der Frage der Gruppenverfolgung der Roma in Rumänien jedoch nicht gegeben. Zu den von dem Verwaltungsgericht Minden in dem Beschluss herangezogenen Lageberichtenn und Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes heißt es, so die Flüchtlingshilfe, in dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts wörtlich: „Die Überzeugungskraft dieser lapidaren Äußerungen wird durch die von den Beschwerdeführern vorgelegten Zeitungsausschnitte und sonstigen Auskünfte, die Übergriffe auf Roma in Rumänien dokumentieren, erschüttert, so dass das Gericht gehalten war, sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen."
In dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden fehle nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts eine Begründung, weshalb trotz der vorgelegten Berichte eine Gruppenverfolgung der Roma in Rumänien offensichtlich zu verneinen sei. Die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts Minden verletze nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 16, Absatz 2, Satz 2, in Verbindung mit Artikel 19, Absatz 4, des Grundgesetzes.
Zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erklärt Diether Kuhlmann für die Flüchtlingshilfe Detmold: „Alle bisher gefällten Beschlüsse , des Verwaltungsgerichts Minden in Bezug auf die Frage der Gruppenverfolgung der Roma in Rumänien sind mit dem durch das Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Beschluß weitestgehend identisch. Sie sind deshalb verfassungswidrig. Die Ausländerbehörde der Stadt Detmold ist deshalb in der Pflicht, alle bisher ausgesprochenen Abschiebeandrohungen umgehend zu widerrufen."
Nach Angaben von Kuhlmann kommt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts für den Großteil der betroffenen Roma-Flüchtlinge in Detmold zu spät: Vor zwei Wochen flohen über 20 Roma teilweise in großer Panik aus der Stadt, weil sie der Abschiebung eines Flüchtlings nach Rumänien durch den Kreis Lippe hilf- und fassungslos zusehen mussten." Gegenwärtig seien zwei Roma akut von der Abschiebung bedroht, bei den übrigen in Detmold verbliebenen Flüchtlingen - 21 an der Zahl - sei das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen.
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