St. Galler Tagblatt
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22.04.2004 :
Wotan ergreift das Wort / Der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub aus Kreuzlingen betätigt sich als Redner an rechtsextremen Veranstaltungen
Kreuzlingen. Der Ex-Lehrer Bernhard Schaub kämpft für ein weisses Europa. Am 1. Mai erwarten ihn deutsche Neonazis als Gastredner in Leipzig.
Thomas Wunderlin
Mit der Forderung "Deutsch bleibt das Land!" mobilisieren Rechtsextreme für eine 1.-Mai-Demonstration in Leipzig. Als einer von mehreren Gastrednern soll der Schweizer Bernhard Schaub das Wort ergreifen.
Das Motto der Veranstaltung lautet "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Und wer schaut zu? Die CDU". Ebenso bekämpft Schaub die herrschenden
Parteien. "Wer genug hat von Systemparteien und pseudonationalen Rattenfängern, der schliesse sich uns an", heisst es auf der Website der Napo, der von Schaub gegründeten Nationalen Ausserparlamentarischen Opposition der Schweiz. Eines der Napo- Ziele: "ein weisses Europa". Da der blonde, blauäugige Schaub amerikanischen Kultureinfluss ablehnt, heisst der Napo
Webmaster "Weltnetzmeister". Die Napo ist ebenso unter einer Kreuzlinger Postfachadresse erreichbar wie Schaubs Eigenverlag WotansWort. Darin erscheinen Schaubs Schriften unter den Titeln "Reich Europa", "Volksstaat der Zukunft" und "Schweizer Geschichte". WotansWort publiziert auch "Europa im Lebenskampf", als deren Herausgeber die "Reichsstudentenführung" bezeichnet wird. Gemäss der Verlagswerbung geht es um das Frontkämpfertreffen in Dresden 1942. Vor der Napo gehörte Schaub zur Pnos, der Partei national orientierter Schweizer. Im Pnos-Blatt "Zeitgeist" bezeichnete er sich 2002 als Vertreter des Bundesvorstands. Wie aus der "Zeitgeist"-Ausgabe vom November 2003 zu schliessen ist, hat er inzwischen in der Pnos nicht mehr viel zu sagen. Sein Name taucht nur noch in einem Inserat seines WotansWort-Verlags auf.
Aus Steiner-Schule entlassen
Schaub, der in Bern, Zürich und im Raum Brugg aufgewachsen ist, wurde bekannt durch das Büchlein "Adler und Rose". Erschienen ist es 1992 in Schaubs damaligem Konradin-Verlag in Brugg. Mit "Adler und Rose" bekannte er sich zu einer Gruppe von Geschichtsinteressierten, die sich selber Revisionisten nennen und in der Öffentlichkeit als Holocaust-Leugner bekannt sind. In der Folge verlor Schaub seine Stelle als Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Rudolf-Steiner-Schule Adliswil. 1999 erschien "Adler und Rose" in einer Neuauflage im Dresdener Verlag Zeitenwende. Mit den Holocaust-Leugnern Arthur Vogt, Jürgen Graf und Andres Studer gründete Schaub 1994 die "Arbeitsgemeinschaft zur Enttabuisierung der Zeitgeschichte". In einem Rundschreiben erklärten sie: "Nach Auffassung der Revisionisten gab es weder einen Plan zur physischen Vernichtung der Juden noch Gaskammern (es sei denn solche zur Tötung von Läusen)." Schaub und seine Mitkämpfer wollten mit etablierten Geschichtsprofessoren an kontradiktorischen Veranstaltungen auftreten. Der zynische Ton des Rundschreibens habe jedoch kontraproduktiv gewirkt, schreiben Peter Niggli und Jürg Frischknecht im Handbuch "Rechte Seilschaften". Die Napo-Website enthält einen Nachruf auf den "verstorbenen Kameraden Arthur Vogt (1917-2003)". Der Verfasser, Jürgen Graf, nennt Vogt "den ersten Schweizer Revisionisten". Vogt habe bereits 1945 den Berichten über den millionenfachen Mord an den Juden nicht geglaubt: "Sein zentrales Argument war folgendes: Ein Verbrechen dieser Dimension hätte auf keinen Fall vor der Welt geheim gehalten werden können." Nach dem Rauswurf in Adliswil zog Schaub zunächst nach Berlingen, wo er laut Niggli/Frischknecht eine Konradin-Schule eröffnete und im Kurswesen Fuss zu fassen versuchte. Es gelang ihm auch, in der Migros-Klubschule Frauenfeld unterzukommen. Ende 1998 erklärte die Schule, Schaub sei entlassen worden, nachdem man von seiner publizistischen Tätigkeit als Holocaust-Leugner Kenntnis erlangt habe. Laut dem Lexikon Rechtsextremismus (lexikon.idgr.de) arbeitete Schaub jedoch im Sommer 1999 immer noch für die Klubschule als Betreuer der Lehrkräfte. Von Dornach, wo er sich zwischendurch niederliess, zügelte er im Februar 2003 nach Kreuzlingen. Sein Dornacher Vermieter erklärte danach gegenüber der "Basellandschaftlichen Zeitung", Schaub schulde ihm noch drei Monatsmieten. In einem Brief habe er ihm erklärt, weil die Medien ihn einen Neonazi nennen würden, habe er schon mehrmals seine Stelle verloren, er lebe von der Hand in den Mund.
Viel gefragter Redner
Ende der 90er-Jahre fand Schaub zu seinem heute wichtigsten Betätigungsfeld. Laut Rechtsextremisten-Lexikon ist er "zu einem viel gefragten Redner bei Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen" geworden. Seine Auftrittsorte reichen von Mels SG bis Norddeutschland. Schaub beteiligte sich auch am 1. August 2003 an der Rechtsradikalen-Veranstaltung auf dem Rütli und im schwyzerischen Brunnen. Im August 2003 wurde er als Redner einer Demonstra-tion "gegen Ausländergewalt" in St. Gallen genannt, die aber keine Bewilligung erhielt. Am 17. Januar 2004 lud ihn die neonazistische "Bewegung deutsche Volksgemeinschaft" nach Freiburg im Breisgau ein; nach Protesten der "Antifa Freiburg" verbot die Stadtverwaltung den Auftritt.
Eindeutige Andeutungen
Gemäss dem Bericht des Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen wurde Bernhard Schaub am 9. November 2003 in Vlotho zum Vorsitzenden des neu gegründeten "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten" gewählt.
Im Gegensatz zu andern Holocaust-Leugnern ist Schaub jedoch bisher nie aufgrund eines Konflikts mit der Justiz öffentlich in Erscheinung getreten. Er belässt es bei Andeutungen, die von gleichgesinnten Lesern eindeutig verstanden werden. "Aber ich sage jetzt nicht, wie diese reicheren Leute, die oft in New York ihre Büros haben, heissen. Ich will schliesslich nicht mit dem Antirassismusgesetz in Konflikt kommen", schrieb er beispielsweise 2002 im "Zeitgeist", dem Organ der Pnos, der Partei national orientierter Schweizer.
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