Bünder Tageblatt / Neue Westfälische ,
11.05.2004 :
Mystischer Ort des Judentums / Karl-Barth-Gesellschaft tagte am Samstagabend im Bonhoeffer-Haus
Bünde (mm). Die Lubavitscher Juden leben mitten in der Metropole, im New York des 21. Jahrhunderts. Als Auswanderer aus der Ukraine kam dieser Stamm orthodoxer Juden bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts in die neue Welt, um dort streng nach den Grundsätzen der mystischen Bewegung des 17. und 18. Jahrhunderts zu leben. Der bekannte Fernsehjournalist Prof. Dr. Michael Albus besuchte den mystischen Ort des Judentums in New York, drehte einen Film fürs ZDF darüber. Zu sehen war er auf der Tagung der Karl-Barth-Gesellschaft am Samstagabend im Bonhoeffer Haus.
Gegründet wurde die Karl-Barth-Gesellschaft im April 1997. Gewidmet ist sie einem der bedeutendsten und gleichzeitig strittigsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts: Karl Barth (1886 - 1968).
In einem Prospekt der Gesellschaft heißt es: "Zum Profil dieses Theologen gehört seine über den evangelischen Bereich weit hinaus gehende unbestreitbar große Bedeutung für Kirche und Theologie als auch seine nicht nur bei dem deutlichen Engagement für die Bekennende Kirche in Deutschland bestehende aktive politisch-soziale Zeitgenossenschaft." Die gemeinnützige Gesellschaft verschreibt sich der theologischen Forschung, Bildung und Erziehung im Sinne Karl Barths.
Bei der Tagung im Bonhoeffer Haus referierte der in Basel lebende gebürtige Bünder und evangelische Theologe Michael Landwehr, Präsident der Karl-Barth-Gesellschaft, zum Thema "Judentum und Mystik bei Karl Barth und anderswo".
Karl Barth beschäftigte sich bereits vor 1918 mit dem Judentum. Immer wieder wies Barth darauf hin, dass Jesus Jude war und das Christentum seine Wurzeln im Judentum habe. "Wer Jesus im Glauben hat, der kann die Juden nicht nicht haben wollen", zitiert Landwehr den Theologen Karl Barth.
Die ökomenische Bewegung von heute leide unter der Abwesenheit Israels, dem Fehlen des jüdischen Glaubens, habe Barth stets betont. Die Grundwahrheit des christlichen Glaubens "Gott für die Welt, Gott für den Menschen, der Himmel für die Erde" formulierte Karl Barth kurz vor seinem Tod, wie Prof. Eberhard Jüngel analysiert. Diese Wahrheit sei nach Jüngel eine in jeder Hinsicht relevante Einsicht, die eine universelle – die Kirchenmauern sprengende – Weite habe. Auch der Literaturwissenschaftler Georg Steiner beschäftigte sich mit Leben und Werk Karl Barths.
Mit Mitte 30 entwickelte Karl Barth in seiner zornig-visionären Lektüre des Paulus eine Rhetorik von prophetischer Direktheit und Unmittelbarkeit, so Steiner, die nicht nur die Folgen des ersten Weltkriegs sondern die danach hereinbrechende Zukunft beschwöre. Gemeint ist mit der Lektüre Barths zweite Auflage seines Römerbriefkommentares von 1922.
Hans-Martin Kiefer sorgte für musikalische Untermalung
Mit dem Erscheinen des "Römerbriefes" begann die akademische Lehrtätigkeit Karl Barths. Während des 2. Weltkriegs lebte Barth in der Schweiz und beteiligte sich von dort aus aktiv im Widerstand gegen Adolf Hitler.
Prof. Michael Albus, Gastreferent am Samstagabend im Bonhoeffer Haus, lernte Karl Barth noch persönlich kennen. Der Fernsehjournalist drehte eine dreiteilige Reihe über die drei monotheistischen Religionen, zu denen auch der Film über die in New York lebenden Lubavitscher Juden gehört. Der Film mit dem Titel "New York – Mystischer Ort des Judentums" wurde im Bonhoeffer Haus vor seiner Erstausstrahlung im ZDF gezeigt, da Landwehr und Albus in Kontakt stehen. "Die moderne Stadt steht im Gegensatz zur Mystik. Das hat mich gereizt", erklärt Albus den Gästen. Es sei gerade in Zeiten wachsenden Antisemitismus in Europa eine Herausforderung, die Geschichte der Juden filmisch aufzuarbeiten. Wichtig sei ihm außerdem, ein neues Licht auf Leben und Werk Karl Barths zu werfen und darüber hinaus die Bedeutung des Jüdischen für die ökumenische Bewegung herauszustellen.
"Es war nicht leicht, die Vorbehalte der Juden gegenüber dem Film zu zerstreuen", bekennt Albus. Mehrfach sei er auch gefragt worden, woher seine seltsame Vorliebe für die Juden herrühre. Musikalisch begleitet wurde der Abend im Bonhoeffer Haus von Hans-Martin Kiefer und dem Kleinchor der Bünder Kantorei.
Stücke von Ravel und Gershwin suchte Kiefer passend zum Thema aus und spann so geschickt den Bogen zwischen der abendländischen und der amerikanischen Musik.
Prof. Michael Albus: "New York – Mystischer Ort des Judentums", ZDF, Pfingstsonntag.
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