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Bünder Tageblatt / Neue Westfälische , 11.05.2004 :

Alfred Spiegel: "Auf euch alle stolz" / Weitere 16 so genannte "Stolpersteine" zur Erinnerung an ermordete jüdische Bürger feierlich eingeweiht

Bünde (dge). Weitere 16 so genannte "Stolpersteine", die an während der Nazizeit ermordete jüdische Bürger erinnern, wurden jetzt vom Kölner Künstler Gunter Demnig im Bünder Stadtgebiet verlegt. Und tags darauf wurden die Steine im Rahmen einiger Gedenkfeiern würdig eingeweiht.

Organisiert hatte die Veranstaltungen Christina Whitelaw, Lehrerin am Gymnasium am Markt, die sich mit Schülern der Klassen 6 bis 10 seit fünf Jahren mit der Schicksal ehedem in Bünde lebender jüdischer Mitbürger im Rahmen eines Freizeitprojektes befasst. Und anwesend war auch Alfred Spiegel, der 1938 im Alter von 9 Jahren Deutschland verlassen musste und erst im Jahr 2001 in seine Heimatstadt Bünde zurückkehrte.

Seit 1992 schon läuft das Projekt von Gunter Demnig. Bis heute hat er in 38 Städten etwa 3.500 Steine verlegt, darunter auch etliche, die bereits im Juni 2003 in Bünde eingeweiht wurden, und natürloch nicht nur an hier einst beheimatete Judfen erinnern sollen, sondern auch an andere Opfer des Faschismus wie Roma und Sinti, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und Euthanasieopfer.
Die ersten Stolpersteine ließ der Wahlkölner Demnig 1996 in das Pflaster der Oranienburger Straße in Berlin ein. Die 51, anfangs illegal verlegten, Gedenksteine sind mittlerweile legalisiert. Und auch die dafür mitunter langen Verwaltungswege schrecken den Künstler nicht.

Erste Station des Gedenkens an die ehemaligen Bünder Mitbürger war der Elsemühlenweg 39. Hier lebten Arthur und Antoinette Bloch und ihre zwei Töchter Gertrud und Berta. Nachdem die Familie in die Niederlande emigriert war und sich zunächst in Sicherheit wähnte, wurde sie nach dem Einmarsch der Deutschen in das KZ Auschwitz deportiert und ermordet. Alfred Spiegel über die Leidensgeschichte seiner Verwandten: "67 Jahre sind vergangen, seit ich meinen Onkel Arthur, meine Tante Nanny und meine Cousinen Berta und Gertrud zuletzt sah. Wenn ich hier stehe, kommt es mir aber vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass ich mit ihnen spielte."

Ach an seinen Großvater Alex Weiss und seine Frau, an seine Großtante Mathilde Mayer und an die Familie Ruben erinnerte Alfred Spiegel: "Obwohl es sehr lange her ist, werden sie alle mit weiter fehlen. Ich bin sehr froh, dass ich für dieses Ereignis zurückkehren konnte. Und ich muss feststellen, dass die Gruppe Netzwerk durch ihre Arbeit sehr viel bewegen konnte." Und Alfred Spiegel abschließend: "Ich bin auf Euch alle sehr stolz."

Nach der Rede von Alfred Spiegel lasen die Bünder Schüler aus Schriftstücken aus der Zeit der Judenverfolgung vor und sangen ein jüdisches Lied. Die vorgetragenen Texte verdeutlichten eindringlich, wie die Spiegels und Blochs die Ausgrenzung und Verfolgung am eigenen Leib empfanden und erlebten.

Nach der Einweihung der "Stolpersteine" am Elsemühlenweg ging es weiter zum Goetheplatz, wo die Grosstante von Alfred Spiegel wohnte, und danach zur Bahnhofstrasse sowie zur Hindenburgstraße, wo die übrigen zwölf Gedenksteine ihrer Bestimmung übergeben wurden.


lok-red.buende@neue-westfaelische.de

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