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Warburger Zeitung / Neue Westfälische , 10.11.2008 :

Gegen das Vergessen / Ausstellung in Hardehausen zum 70. Jahrestag der Pogromnacht eröffnet

Von Anete Etzel

Hardehausen. "Die Erinnerung an den Terror der Nationalsozialisten gegen die jüdischen Mitbürger muss wachgehalten werden. Ein Tag wie der 9. November 1938, als im deutschen Reich die Synagogen brannten und die Wohnungen der Juden verwüstet wurden, darf sich nie wiederholen", darin waren sich Konrad Schmidt, Hubertus Backhaus und Hubert Frankemölle einig. Gestern nahmen sie in der Landvolkshochschule Hardehausen an der Eröffnung der Ausstellung "9. 11. 1938 – 70 Jahre Reichspogromtage im Kreis Höxter" teil – "eigentlich ein trauriger Anlass", wie Schmidt meinte.

Der Rektor der Landvolkshochschule "Anton Heinen" betonte, "dass die Erinnerung in uns lebendig bleiben muss. Viele in unserem Volk haben lange gebraucht, um sich der Verantwortung zu stellen. Manche verdrängen sie bis heute. Aber Schuld tragen nicht allein die Täter vor Ort und die politische Führung. Mitschuld haben auch diejenigen auf sich geladen, die im entscheidenden Moment weggesehen haben", so Prof. Dr. Konrad Schmidt. Höxters Landrat Hubertus Backhaus sprach von "einer großartigen Konzeption", mit der einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte ein Raum gegeben werde.

"Gerade in kleinen Orten, in denen Nachbarschaft einen großen Stellenwert hat, ist das Umschlagen von Freundschaft in Feindseligkeit umso erschreckender. Allein in der Stadt Höxter wurden 46 Juden deportiert, von denen nur einer überlebte. Sie alle waren Nachbarn, Freunde oder Vereinskollegen", zeigt Backhaus die damalige Situation deutlich auf. Heute erinnerten in der Weserstadt unter anderem "Stolpersteine" vor den Häusern ehemaliger jüdischer Bewohnerinnen und Bewohner an deren Schicksal.

Stärkere Konsequenzen von den politischen Parteien forderte Professor Dr. Hubert Frankemölle in seiner Ansprache: "Die Parteien müssen sich klarer gegen einen rechten Einfluss aussprechen und viel eindeutiger Stellung beziehen", forderte der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Paderborn.

Die Reichspogromtage als Thema im Unterricht des Städtischen Gymnasiums Sundern standen für Schülerinnen und Schüler auch für das übergreifende Thema der Ausgrenzung.

"Die Jugendlichen müssen daran erinnert werden, was vor ihrer Zeit passiert ist. Wir haben uns gefragt: Gibt es auch heute Ausgrenzungen? Ist so etwas auch heute noch bei uns möglich?", wie Christa Harrer, Kunsterzieherin im Gymnasium Sundern, erläuterte, die mit der Klasse 11 künstlerische ausdrucksstarke Arbeiten mit verschiedenen Techniken präsentierte, die sich um das Oberthema "Ausgrenzung auch heute" drehen.

"Im richtigen Moment siehst Du einfach nicht hin"

Peter Möhring, ehemals Studiendirektor am Clemens-Hofbauer-Kolleg in Bad Driburg, stellte den historischen Teil der Ausstellung als regionale Ergänzung zu der vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und dem Personenstandsarchiv Detmold im Verbund mit kommunalen und kirchlichen Archiven konzipierten Wanderausstellung "9.11.1938 – Reichspogromtage in Ostwestfalen-Lippe" vor. "Mir war es wichtig, auch die regionale Situation der Ausgrenzung und Entrechtung der Juden seit 1933 in den ehemaligen Landkreisen Warburg und Höxter zu dokumentieren", so Möhring, der allen Ortheimatpflegern und Archivaren für die Fülle historischer Fotos von Personen, Gebäuden oder Ereignissen dankte, die nun in dieser Ausstellung zu sehen sind. "Du willst etwas verändern, doch im richtigen Moment siehst du einfach nicht hin" – diese Feststellung einer Jugendlichen im Internet nahm Dr. Georg Pahlke, Rektor des Jugendhauses Hardehausen, "als eindringliche Mahnung, auch heute bewusst und genau hinzusehen, denn auch in unserem Alltag passieren Ausgrenzungen, über die wir einfach nicht hinwegsehen dürfen". Die Doppelausstellung ist bis zum 14. Dezember im Jugendhaus montags bis samstags von acht bis 17 sowie sonntags von neun bis 13 Uhr zu sehen.

Hardehausener Gespräch

Im Rahmen der Veranstaltung "9. 11.1938 – Reichspogromtage in Ostwestfalen-Lippe" lädt die Landvolkshochschule am Samstag, 29. November, ab 20 Uhr zum "Hardehausener Gespräch" mit Dr. Johannes Kistenich aus Münster ein, der das Ausstellungsprojekt konzipiert hat. Kistenich werde in seinem Vortrag nach Angaben der Landvolkshochschule "Anton Heinen" die Ereignisse in Ostwestfalen-Lippe vorstellen: Brandstiftungen, Verwüstungen, Misshandlungen oder die Arisierungen von Geschäften. Er mache deutlich, dass diese schrecklichen Ereignisse ganz konkret auch in unserer Region stattgefunden hätten.

Bildunterschrift: Schwarz als traurige Farbe der Ausgrenzung in einer bunten Gesellschaft: Freya Möller zeigt mit Kunsterzieherin Christa Harrer ihre Arbeit, die in der Ausstellung zu sehen ist. Die Schafe im Pferch symbolisieren zusätzlich die Ausgrenzung von friedlichen Menschen.

Bildunterschrift: Vor dem Bild der ehemaligen Warburger Synagoge: Christa Harrer (v. l.), Dr. Hubert Frankemölle, Prof. Dr. Konrad Schmidt, Peter Möhring, Hubertus Backhaus und Dr. Georg Pahlke.


lok-red.warburg@neue-westfaelische.de

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