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Bünder Tageblatt / Neue Westfälische , 06.05.2004 :

Auf Spurensuche in Holland / Schüler und Lehrer des Gymnasiums am Markt besuchten Westerbork / Bünder Seniorinnen reisten mit

Von Gabi von Bose

Bünde. Einen ausgesprochen interessanten Beitrag zum Geschichtsunterricht bildeten für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8d des Gymnasiums am Markt wohl die einzelnen Programmpunkte ihrer Klassenfahrt nach Holland, die unter der Leitung der Lehrer Christina Whitelaw, Klaus-Peter Raillard und Hanno Hagemann stand.

Angeschlossen an die dreitägige Exkursion Ende April hatten sich nicht nur die Mitglieder der AG "Netzwerk" sondern auch Ingeborg Franke und Elisabeth Foelkel, zwei Seniorinnen, die schon häufig beim Zeitzeugen-Kaffeetrinken der
AG "Netzwerk" zu Gast waren. Das Hauptziel der Reisegruppe war Westerbork, ein Internierungslager im Nordosten der Niederlande.

Westerbork diente den Nazis zwischen 1942 und 1944 als Durchgangslager nicht nur für Juden, Sinti und Roma sondern auch für Widerstandskämpfer, die aus Holland nach Osteuropa deportiert wurden.

"Das Lager-Terrain ist jetzt eine Gedenkstätte", erzählte Fabian Bienen. Auf dem ehemaligen Appellplatz erinnerten heute mehr als 100 000 kleine Steinsäulen an die Zahl der dort inhaftierten und später in den KZs im Osten ermordeten Menschen, so Fabian. Auch die jüdischen Familien Bloch und Weiß aus Bünde, 1939 nach Holland geflohen, seien etwa sechs Monate in Westerbork gewesen, berichtete Christoph Kleineberg. "Sie wollten eigentlich von Holland in die USA ausreisen, hatten aber nicht genug Geld", so der 13-jährige Schüler.

Arthur Bloch, seine Frau Antoinette und seine Töchter Bertha (17) und Gertrud (12) wurden im Februar 1943 von Westerbork aus deportiert, ebenso Antoinettes Eltern Alex und Frieda Weiß. Alle, außer Arthur Bloch, der in dem Vernichtungslager Sobibor getötet wurde, kamen nach Auschwitz-Birkenau, wo sie sofort nach Ankunft vergast wurden. In Bünde werden ab dem 8. Mai "Stolpersteine" im Elsemühlenweg und in der Bahnhofstraße an diese sechs Menschen und ihre Schicksale erinnern.

Etwas ganz Besonderes sei das Zusammentreffen mit der heute 81-jährigen "B." Thöhne-Siemens gewesen. "B. war ihr Tarnname und sie leitete mit ihren 19 Jahren damals eine Widerstandsgruppe", erklärte Christin Könemann. Sie habe vielen untergetauchten Juden in Holland geholfen und ihnen so das Leben gerettet.

Auch der Betreuer der Reisegruppe in Westerbork Heinz Vijgenboom, Auschwitzüberlebender, sei sehr beeindruckend gewesen, betonte Elisabeth Foelkel. "Die Berichte dieser Zeitzeugen machten uns sehr betroffen", so die Seniorin und Ingeborg Franke fügte hinzu: "Etwas über diese Vergangenheit zu erfahren, ist nicht nur für junge Menschen wichtig, auch wir Älteren sollten uns damit stärker auseinandersetzen."

Weitere Ziele der Reise waren das Anne-Frank-Haus, das Jüdische Museum und das Haus der inzwischen verstorbenen damaligen Widerstandskämpferin Corrie Ten Boom, das heute ein Museum ist. "Wir haben dort die Verstecke gesehen, in denen sie Juden untergebracht hatte", berichtete Spencer Cantrell, Austauschschülerin aus den USA.

"Diese Reise war ein großer Gewinn für uns alle", resümierte Christina Whitelaw. Einerseits, weil innerhalb der Gruppe über das Erlebte ein sehr intensiver Dialog zwischen Jung und Alt stattgefunden habe, andererseits "weil es einmal nicht nur um Täter und Opfer sondern auch um Helfer und Retter ging", so die Lehrerin.


lok-red.buende@neue-westfaelische.de

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