Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische ,
04.11.2008 :
Aufklären, aber nicht anklagen / Dr. Helmut Gatzen veröffentlicht Buch über NS-Zeit
Von Uwe Pollmeier
Gütersloh. "Die Dokumente belegen, dass hier eine ganze Landschaft ideologisch verseucht war", sagt Dr. Helmut Gatzen. Was während der NS-Zeit in Güterslohs Straßen passierte und mit welcher schrecklichen Systematik die Nazis den, Zitat Gatzen, "organisierten Rausschmiss der Juden" vollzogen, schildert sein Buch "Der Herzbergbericht über den NS-Terror in Gütersloh und Buchenwald".
Das Druckwerk stützt sich auf drei, bis heute vergessene oder nur teilweise veröffentlichte Dokumente. Neben dem "Volksbuch vom Hitler" ist dies auch das Geschichtsbuch "Führer und Völker" von Dr. Friedrich Fliedner, der von 1922 bis 1945 Direktor des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums war. Im Zentrum steht jedoch der "Herzberg-Bericht", in dem der in Gütersloh lebende Jude Leopold Herzberg die Vorgänge in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 und den Abtransport der jüdischen Bewohner in das KZ Buchenwald beschreibt.
"Ich bin dem Flöttmann-Verlag sehr dankbar, dass der Herzbergbericht nun komplett veröffentlicht worden ist", sagt Dr. Gatzen während der Vorstellung seines Buches in der Verwaltung des Evangelischen Kirchenkreises. Bisher gab es nämlich nur Auszüge des ersten Teils, die der Neffe des damaligen Zeitzeugen, Jehuda Barlev, in seinem Buch "Juden und Jüdische Gemeinde in Gütersloh 1671 - 1943" verwendet hatte.
Gatzen, der mit dem neuesten Werk bereits sein drittes Buch über die Geschichte der Gütersloher Juden im Dritten Reich veröffentlicht hat, möchte mit seinem Buch aufklären, aber nicht anklagen. "Ich möchte keinen Vorwurf erheben, sondern deutlich machen, wie so etwas Schreckliches überhaupt passieren konnte", sagt Gatzen. Direktor Fliedner etwa sei vielmehr im allgemeinen Zeitgeist mitgeschwommen. "Es ist nicht meine Absicht ihn zu beschuldigen. Aber über sein Buch lässt sich allerhand sagen", erklärt Gatzen. Den pensionierten Pfarrer beschäftigt die Frage, warum kein Mensch die Dinge erkannt und darauf reagiert hat. "Bereits 1924 war in dem 'Volksbuch vom Hitler' erstmalig von der 'endgültigen Lösung der Judenfrage' die Rede", sagte Gatzen.
Kopfschütteln verursacht bei dem 75-Jährigen, der selbst bis zu seiner Pensionierung am Städtischen Gymnasium Religion und Geschichte unterrichtet hat, auch die Reaktion der Schulen. "Dies wäre ein sehr guter Schulstoff. Es ist beschämend", sagt Gatzen, dessen zwei Bücher lediglich von einer Schulklasse zum Vorzugspreis geordert worden war.
Der in Naumburg an der Saale geborene Gatzen kam eher durch Zufall nach Gütersloh. "Ich hatte 1978 die Wahl nach Hagen oder Gütersloh zu gehen", erinnert sich Gatzen. Um Stadt und Leute kennenzulernen, besuchte er den Frisör Randerath. Ein dort hängendes Foto vom brennenden Daltrop-Haus in der Reichspogromnacht veranlasste den Pfarrer, sich "mal weiter in Gütersloh umzusehen". Diese damals begonnenen Aufarbeitung der Geschichte und sein Wunsch, diese in den Erinnerungen der folgenden Generationen wach zu halten, war Motivation genug, nun ein drittes Buch über die NS-Zeit zu schreiben.
"Der Herzberg-Berichtüber den NS-Terror in Gütersloh und Buchenwald "von Dr. Helmut Gatzen und Wilhelm Pollmann ist im Flöttmann-Verlag erschienen und in den Buchhandlungen für 5,80 Euro erhältlich. (ISBN: 978-3-87231-112-3).
Bildunterschrift: Veröffentlicht: Dr. Helmut Gatzen und Hans-Jörg Seiler, Geschäftsführer Flöttmann-Verlag, in dem das Buch "Der Herzbergbericht über den NS-Terror in Gütersloh und Buchenwald" erschienen ist.
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