Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
28.10.2008 :
Gedenken und mahnen / Jost Wedekin hat sein Buch über die Landjuden in Haaren fertiggestellt
Bad Wünnenberg-Haaren. "Die Landjuden von Haaren – eine fast vergessene Minderheit": So heißt das Gedenkbuch, das Jost Wedekin (73), Historiker aus Schloß Neuhaus und ehemaliger Schulleiter der Hauptschule Atteln/Haaren, jetzt fertiggestellt hat. Das Buch beschreibt die fast 300-jährige Geschichte der Kultusgemeinde Haaren, die exemplarisch für viele kleinere jüdische Gemeinschaften in den Dörfern Westfalens steht.
Viele Jahre Vorarbeit liegen hinter Wedekin, der in dem dreiteiligen geschichtlichen Werk den Weg vom Schutzjuden im Fürstbistum Paderborn bis zum emanzipierten Staatsbürger der Weimarer Republik aufzeichnet. Auch macht er die Verfolgung der jüdischen Mitbürger und den Untergangs der kleinen Kultusgemeinde während des Dritten Reiches zum Thema. Das dritte Kapitel ist den wenigen überlebenden und den zahlreichen ermordeten jüdischen Bürgern Haarens gewidmet.
Herausgeber des Buches ist der Heimat- und Verkehrsverein Haaren. Deshalb schließt das Buch mit Berichten über dessen Aktivitäten: Der Verein hat sich nach Aussage seines Vorsitzenden Norbert Münster zum Ziel gesetzt, "die Erinnerung an seine jüdischen Mitbürger zu wecken und wach zu halten. Mit der Herausgabe des Buches soll dazu ein weiterer wichtiger Beitrag geleistet werden." Bereits im Herbst 2006 hatte es eine umfangreiche Dokumentation in Wort und Bild zu diesem Thema gegeben. Münster: "Das Buch, das sich zunächst an die Bewohner Haarens richtet, soll gedenken und mahnen, dem Leser aber auch Fakten vermitteln." Darüber hinaus ergänzt das Werk bereits vorliegende Schriften über Juden im Hochstift und sei deshalb allen regionalgeschichtlich Interessierten zu empfehlen.
"Wir müssen die Geschichte aufarbeiten – auch für die Einwohner heute. Damit keine dunklen Löcher entstehen", sagt Autor Wedekin. Unzählige Akten hat er gewälzt, in vielen Archiven gestöbert, nachgefragt, zugehört, Antworten bekommen, die letzten Zeitzeugen interviewen können. Die Ergebnisse seiner Recherchen sind auf 240 Seiten mit 195 Abbildungen festgehalten. Fazit: "Die Landjuden in Haaren waren voll in das Leben im Ort integriert."
Sie boten als Hausierer Manufakturwaren und Gegenstände des täglichen Bedarfs an, betrieben zudem Vieh- und Getreidehandel oder verliehen Geld. "Normalerweise lebten die Juden in den Städten, in Paderborn, Salzkotten, Büren oder Lichtenau, trieben Handel", sagt Wedekin. Grunderwerb sei ihnen verboten gewesen. In Haaren hatten sie 1900 auch fünf Ladengeschäfte eröffnet, betrieben sogar Landwirtschaft und bezeichneten sich im Kaiserreich als "deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens".
Elf jüdische Familien mit insgesamt 64 Menschen lebten in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts in Haaren. Die höchste Anzahl jüdischer Einwohner in dem kleinen Ort. Um 1930 waren es noch 18. Heute gibt es keine mehr. 1982 war Otto Emmerich der letzte, der auf dem jüdischen Friedhof Haaren begraben wurde.
Vorstellung des Werkes
Autor Jost Wedekin stellt das Gedenkbuch, das mit Unterstützung der Volksbank Büren und Salzkotten entstand, am Montag, 3. November, um 18 Uhr in den Räumen der Volksbank Haaren, Paderborner Straße 9 vor. Dazu lädt der Heimat- und Verkehrsverein als Herausgeber ein. Anschließend gibt es Gelegenheit, die Dokumentation "Die Landjuden von Haaren" zu sehen, das Buch zu erwerben (10 Euro) und Gespräche zu führen.
"Die Landjuden von Haaren – eine fast vergessene Minderheit", Jost Wedekin, ISBN: 978-3-00-026212-8.
Bildunterschrift: Der Autor: Jost Wedekin hat jahrelang an dem Gedenkbuch gearbeitet und dafür in Archiven recherchiert.
Bildunterschrift: Mit Volldampf in der Landwirtschaft: Diese Szene zeigt die Dreschgenossenschaft in Haaren um 1920. Die Männer, unter ihnen Jakob Rosenberg (2. v. l.), stehen vor der Scheune am schnaufenden Lokomobil.
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