Vlothoer Zeitung / Westfalen-Blatt ,
26.09.2008 :
Das eigene Bild gegen die Vorurteile / Ausstellung lässt Zeitzeugen zu Wort kommen - Lidl-Preis an binationale Jugendgruppe
Von Reinhard Kehmeier
Vlotho (VZ). Während der zwei Herbstferienwochen zeigen Schüler im Rathaus-Foyer die Ergebnisse ihrer Zeitzeugen-Gespräche. Sie sind angetreten, sich gegen mancherlei Vorurteile ein eigenes Bild zu machen.
Bei der Ausstellungseröffnung ihres Projektes "Lebensgeschichte als Argument" wurde die Gruppe durch das Handelshaus Lidl innerhalb der Aktion "Generationen verbinden" mit dem ersten Preis bedacht. Vertriebsleiter Christoph Kauff von der Lidl-Niederlassung Wunstorf überreichte Urkunde und Scheck über 1.000 Euro. Er wurde von Tjalf Poetting, Carina Jana Hornjak, Jannis Kachel und Anna Faber entgegennommen. Die Schüler des Weser-Gymnasiums vertreten vier weitere Altersgenossen aus dem Rheinland und zehn junge Polen.
18 Beteiligte haben sich unter der Leitung von Johannes Schröder (Vlotho) aus dem Verein Stätte der Begegnung mit den Erfahrungen von Überlebenden des nationalsozialistischen Regimes auseinandergesetzt. Schröder freute sich darüber, dass die Sponsorenschaft des Disounters möglich wurde: "Er hat auch die Herstellung der Plakate ermöglicht." Die großflächigen Druckwerke gestalten 18 Ausstellungs-Tafeln. Jede ist mit einem kleinen Porträt des jungen Interviewpartners versehen. So hat sich Sylvia Mrosczczyk mit Stella Müller-Madej unterhalten und mit Walter Heinemann aus Herford, die das Grauen der Konzentrationslager überlebten. "Es müsste noch viel mehr solche aufrüttelnden Aktionen geben", sagte der 80-jährige Walter Heinemann bei der Ausstellungseröffnung der Vlothoer Zeitung.
Sylvia Mrosczczyk berichtet davon, dass die Geschichte der polnischen Zeitzeugin Stella Müller-Madej sie sehr bewegt hat. Als Elfjährige musste sie ins Warschauer Ghetto. Nur weil ihr Name auf Schindlers Liste gesetzt wurde, überlebte sie das Grauen, entkam den Feueröfen der Nazis. Tausend jüdische Mitbürger konnten auf diese Weise gerettet wurden, wie der vielfach preigekrönte Film berichtet.
Johannes Schröder wies in seiner Rede zur Ausstellungseröffnung auf die außerschulischen Angebote des Vereins Stätte der Begegnung hin mit dem Ziel Lernprozesse in Bewegung zu setzen. Im Frühsommer dieses Jahres hatten sich die Schüler auf deutscher und polnischer Seite - bei der Partnerschule "tief im Osten Polens" 30 Kilometer vor der ukrainischen Grenze - aufgemacht zu den Befragungen der noch ausfindig zu machenden Zeitzeugen.
"Für mich ist es wichtig, dass die Statements der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden", sagte Johannes Schröder. Den Besucher des Rathauses erwarten Erkenntnisse aus Lebensläufen, die den Betrachter innehalten lassen und aufrütteln. Bürgermeister Bernd Stute erinnerte an die Vorbehalte gegenüber jüdischen Menschen in so vielen Jahrhunderten und über die Art des Umgangs mit dem nationalsozialistischen Verfolgungswahn, der in den Holocaust, die Ermordung so vieler Menschen, mündete. Nach dem Krieg sei das Thema noch tief "unter dem Deckel gehalten" worden. Der Femdenhass in voller Breite komme in der Austellung zum Ausdruck. Zu den Besuchern gehörte Ehrenbürgerin Annemarie von Lengerke. Sie hat sich vorgenommen, im Rollstuhl noch einmal zurückzukehren in die Ausstellung im Rathaus. "Dann schaue ich mir alles in Ruhe an. Ich habe doch die jüdischen Mitbürger alle gekannt."
Bildunterschrift: Walter Heinemann (80) zeigt auf ein Jugendbild. Es ist in der Dokumentation seines Lebenslaufs festgehalten.
Bildunterschrift: Geld für Projektarbeit: Christoph Kauff übergibt den Scheck an Tjalf Poetting, Carina Jana Hornjak, Jannis Kachel und Anna Faber.
Bildunterschrift: Eine Ausstellungstafel widmet sich der Versöhnung von Deutschland und Polen.
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