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Herforder Kreisanzeiger / Westfalen-Blatt , 25.09.2008 :

Von den Nazis "erfasst" / Was Eva-Maria Küchling-Marsden, Schwiegertochter von Käthe Elsbach, berichtet

Von Hartmut Brandtmann

Herford. Wie konnte es geschehen? Die jungen Frauen aus der 12. Jahrgangsstufe des Elisabeth-von-der-Pfalz-Berufskollegs setzen sich mit dem Nationalsozialismus auseinander. Eine Zeitzeugin, die unter der Gewaltherrschaft gelitten hat, ist Eva-Maria Küchling -Marsden. Sie berichtet.

Der Vorsitzende des Kuratoriums Erinnern Forschen Gedenken, Jörg Militzer, hat das Gespräch vermittelt. Mittelbar geht es auch um die jüdische Geschichte der Stadt, denn die Zeitzeugin war verheiratet mit Herbert Adolf Maas, dem Sohn der Jüdin Käthe Elsbach, die ihrerseits Schwester von Kurt Elsbach war, der als letztes Familienmitglied das Herforder Unternehmen führte. Käthe Elsbach, verheiratete Maas, wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

In der Lebensgeschichte von Eva-Maria Küchling-Marsden geht es um Schutzhaft in Heidelberg. Aus Maas war Marsden geworden, denn Herbert Adolf emigrierte nach England und nannte sich fortan Edward Arthur Marsden. Seine Frau hatte er in Herford kennen gelernt, als er Geschäftsstellenleiter beim britischen Senat des Obersten Rückerstattungsgerichts war. Dort arbeitete Eva-Maria als Übersetzerin.

Sprachen hatte sie in Heidelberg studiert. Dort geriet sie in die Fänge des berüchtigten Sicherheitsdienstes SD. Am Stammtisch der deutsch-ausländischen Gesellschaft, der sie angehörte, hatte sie vor flämischen Kommilitonen den Einmarsch der Wehrmacht in Belgien kritisiert und erzählt, dass ihr Bruder eine rote Fahne hat, ein Mitbringsel des Onkels, der in China gearbeitete hatte.

Sie wurde bei der Gau-Studentenführung angezeigt und "als Zeugin in eigener Sache" vorgeladen. "Wir sind von Rechtsweg unabhängig" hatte ihr der Vernehmer zynisch erklärt, als sie um einen Rechtsanwalt bat. Wegen "Heimtücke", einer "Straftat", die man nur in der Nazizeit begehen konnte, wurde die damals 22-Jährige zu 14 Tagen Schutzhaft verurteilt.

Ihre Zellengenossin war eine Baronin, verurteilt wegen "verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen". Die Schutzinhaftierten schliefen auf Strohsäcken, die hygienischen Verhältnisse waren grenzwertig, wie man heute sagen würde.

Vom Leiden berichtet die alte Dame nicht, mehr vom Glück, das sie hatte und von Versuchen, sie nach der Entlassung als Gestapo-Spitzel anzuwerben. Sie widerstand mit Geschick.

Die 86-Jährige erzählt in faszinierender Klarheit. Sie spricht leise und doch verständlich – ohne Anklage oder Dramatik. Geschichte wird lebendig. Die Kollegiatinnen hören konzentriert zu. Die Eingangsfrage "Wie konnte das geschehen", beantwortet Eva-Maria Küchling-Marsden so: "Was man erfuhr, war meistens ein Gerücht. So sahen wir die Gefahr nicht heraufziehen. Alle Medien waren gleichgeschaltet. Und wir waren von den Nazis erfasst."

Zwei Jahre Elsbach-Platz

Fast zwei Jahre ist es her, dass der Platz gegenüber MARTa seinen Namen bekam. Er soll an die Jüdin Käthe Elsbach erinnern, die Schwiegermutter von Eva-Maria Küchling-Marsden. Die heute 86-Jährige, die in Bad Salzuflen lebt, gehörte zu dem kleinen Kreis, der zur Einweihung am 27. September 2006 geladen war.

Bewusst eingeladen wurde Jan Ahlers, der Gründer der Ahlers AG und Anreger der Namensgebung. Sein Vater hatte im Sommer 1938 die von den Nationalsozialisten enteignete und "zwangsarisierte" Fabrik des Vaters von Käthe Elsbach übernommen. Deren Hauptsitz befand sich im heutigen "Elsbach-Komplex", der direkt an den Käthe-Elsbach-Platz angrenzt.

Bildunterschrift: Nachdenklich: Die Zeitzeugin Eva-Maria Küchling-Marsden konzentriert sich auf die Fragen.

Bildunterschrift: Durchblick: Jörg Militzer (Kuratorium Erinnern, Forschen, Gedenken) und die Politik-Lehrerin Regine Stelte moderieren das Gespräch am Elisabeth-von-der-Pfalz-Berufskolleg.


lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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