WebWecker Bielefeld ,
21.04.2004 :
Gute Kolonialmacht Deutschland?
Kolonialdenkmäler sollten nach dem Ersten Weltkrieg den Mythos von der "guten Kolonialmacht" Deutschland symbolisieren. Dass Werke des Künstlers, der das wichtigste dieser Denkmäler schuf, in der Uni-Bibliothek gezeigt werden, war am Dienstag Thema eines Vortrags in der Universität.
Von Mario A.Sarcletti
Nur ein gutes Dutzend Interessierte besuchte am Dienstag einen Vortrag des Hamburger Wissenschaftlers Heiko Möhle. Neben Mitgliedern der Antifa AG der Universität waren es vor allem die Protagonisten einer Auseinandersetzung um eine Ausstellung, die noch bis zum 2. Mai in der Universitätsbibliothek zu sehen ist und die Auslöser für die Veranstaltung mit dem Titel "Vergangenheitspolitik und Verklärung". Teil der Verklärung der deutschen Kolonialzeit sind Kolonialdenkmäler, das wichtigste, die Askari-Reliefs, schuf 1939 Walter von Ruckteschell. Dass Werke von ihm unkommentiert in der Bielefelder Ausstellung zu sehen sind, sorgt für Diskussionen unter Bielefelder Kunsthistorikern (WebWecker berichtete).
Referent Möhle, bis Ende vergangenen Jahres Koordinator des Sonderforschungsbereichs "Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften" machte gleich zu Beginn klar, dass er zu Ruckteschell nicht allzu viel sagen werde, da er sich nicht so intensiv mit dessen Biographie auseinander gesetzt habe. Vor allem wollte er etwas über die Kolonialzeit und den Umgang mit ihr am Beispiel der Askarireliefs erzählen. Dass die im vergangenen Jahr in Hamburg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, hatte in der Hansestadt für Diskussionen gesorgt.
Zu Beginn seines Vortrags wusste Heiko Möhle aber doch einiges über Ruckteschell zu berichten, zeigte Bilder, die der in Afrika gemalt hatte. Ursprünglich war er an den Kilimandscharo gefahren, um Bilder für die Ostafrika-Linie zu malen. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er Adjutant von Paul Lettow-Vorbeck, der gegen den Befehl des Gouverneurs des damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, Krieg gegen die Briten führte. In der Zeit ging Ruckteschell dazu über, den Feldzug, der etwa 500.000 Afrikaner das Leben kostete, zu dokumentieren. Nach dem Krieg dienten die Zeichnungen als Illustrationen in Büchern Lettow-Vorbecks.
Heiko Möhle zeigt ein Bild, auf dem eine Gruppe Askaris, afrikanischer Söldner im Dienst der Deutschen, zu sehen ist. "Die stammten meist aus Ägypten und dem Sudan. Vor dem Krieg wurden sie vor allem für das eingesetzt, was man damals Aufstandsbekämpfung nannte", erklärt Möhle. "Interessant bei diesem Bild ist, dass die nicht als Individuen dargestellt sind", beschreibt er ein Merkmal, das für die Darstellung von Afrikanern in der Propagandakunst kennzeichnend ist.
Heiko Möhle zeigt das nächste Bild, ein afrikanisches Gesicht. "Man muss Ruckteschell aber zu Gute halten, dass er auch Bilder von Afrikanern zeichnete, die vergleichsweise viel Respekt für die Porträtierten zeigen", differenziert Möhle. Dieser Respekt sollte auch im Askari-Relief seinen Ausdruck finden, auf dem die afrikanischen Soldaten treu ihrem "deutschen Führer" folgen. "Die Askari sollten bezeugen, dass Deutschland eine gute Kolonialmacht war", beschreibt Möhle die Funktion dieser Darstellung.
Dies sollte einerseits die Forderung nach Rückgabe der Kolonien unterstreichen, die Deutschland durch den Vertrag von Versailles abgeben musste. Lettow-Vorbeck sollte zudem den Deutschen nach dem "Diktat von Versailles" wieder Selbstbewusstsein verschaffen. Ein Mittel zu diesem Zweck waren die Bücher von Lettow-Vorbeck und Ruckteschell, ein anderes ihre gemeinsamen Vortragsreisen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland. "Sie galten als positives Gegenbild zur Niederlage, die Deutschland erlitten hatte", so Möhle.
Gemeinsam unternahmen die beiden aber nicht nur Vortragsreisen, sondern schlugen in Hamburg auch einen Arbeiteraufstand nieder. "Die Erinnerungen in Hamburg an diese Zeit sind immer noch sehr geteilt", berichtet Heiko Möhle. "Von den einen wird er als Retter der Ordnung gesehen, von den andern wird er als einer gesehen, der mit brutaler Gewalt diesen Aufstand niedergeschlagen hat. In vielen Augenzeugenberichten ist überliefert, dass die Truppen in Hamburg auch gehaust haben wie eine Kolonialtruppe im Feindesland", weiß Möhle. Unter anderem hissten sie auf dem Hamburger Rathaus die Reichskriegsflagge.
Angesichts dieser Assoziationen ist es kein Wunder, dass es in der Stadt um die Aufstellung der Askarireliefs lange Diskussionen gab. Die 1939 in der Lettow-Vorbeck-Kaserne aufgestellte Skulptur sollte, nachdem die Bundeswehr das Gelände 1999 aufgegeben hat, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ausgerechnet Denkmäler aus der Nazizeit sollten nach dem Willen der "Traditionsverbände der Schutz- und Überseetruppen", die an dem Denkmal regelmäßig Kränze niederlegten, und des Kulturkreises Jenfeld im Tansaniapark ein Zeichen der Völkerverständigung setzen.
Heiko Möhle und andere kritisierten das Projekt immer wieder. Das Ergebnis waren rechtsradikale Drohbriefe an die Kritiker des Tansaniaparks. Die Vorwürfe von rechts waren die gleichen, wie die gegen die so genannte Wehrmachtsausstellung: Die Angriffe gegen deutsche Soldaten würden deren Ansehen beschmutzen.
"Aber man kann nicht Denkmäler, die den Kolonialismus verherrlichen und dazu noch in der Nazizeit entstanden sind, einfach so kommentarlos in die Gegend stellen", begründet Heiko Möhle sein Engagement trotz der Drohungen. Kann man doch, wie die Bielefelder Ausstellung zeigt. In der ist auch ein Kriegerdenkmal in Naziästhetik aus der Altstädter Nicolaikirche zu sehen. "Das ist doch bemerkenswert, dass ein Künstler aus München in ganz Deutschland Kriegerdenkmäler macht", sagt dazu Helga Kambartel, die mit ihrem Mann die Ausstellung zusammenstellte. Was sie als Beweis für den Stellenwert Ruckteschells sieht, ist für andere Diskussionsteilnehmer in der Uni ein Hinweis darauf, dass dessen Werke eben nicht unkommentiert ausgestellt werden dürfen.
Einer von ihnen ist der Leiter des Ästhetischen Zentrums der Universität, das für die Ausstellungen in der Bibliothek verantwortlich ist. "Ich habe das Denkmal bei der Ausstellungseröffnung gesehen und war schockiert", erklärt Klaus-Ove Kahrmann in der Diskussion. "Und ich hätte mir gewünscht, dass da jemand etwas zu dieser Ästhetik sagt", so der Kunstprofessor, der sich lange mit Kriegerdenkmälern in Kirchen beschäftigte. Das sei bei der Eröffnung aber nicht passiert.
Helga und Walter Kambartel sehen auch keinen Grund, Ruckteschells Biographie weiter zu thematisieren, da die nicht Thema der Ausstellung sei. Das Äthetische Zentrum sieht das anders und hat eine Pinnwand für Diskussionsbeiträge in der Bibliothek aufgestellt.
Walter Kambarte steht am Mittwoch, 28. April, um 18 Uhr, in der Ausstellung für eine Diskussion über deren Form und Inhalt zur Verfügung.
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