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Warburger Zeitung / Neue Westfälische , 28.04.2004 :

"Harzland gegen Bördeland" / 1.900 Soldaten waren seit Donnerstag bei Brigadeübung "Thüringer Löwe" im Kreis Höxter im Einsatz

Von Dieter Scholz und Frank Beineke

Lamerden/Kreis Höxter. Maschinengewehrfeuer im Diemeltal. Rund 40 Augustdorfer Grenadiere haben in den frühen Morgenstunden die Diemel überschritten und sichern den gegenüberliegenden Berghang. Brückenkopf. Die Radarantenne am Rand des Waldes dreht sich unentwegt und ortet gegen zehn Uhr einen feindlichen Hubschrauber. Der Lärm der Rotoren ist zu hören, zu sehen ist nichts.

Die Augen der Männer der 2. Kompanie des Panzerpionierbataillons 1 um Hauptfeldwebel Ralf Repp suchen das hügelige Grün ab. Gegen acht Uhr gestern morgen hatten sie mit ihrem schweren Gerät bereits die Brücke beim Dorfgemeinschaftshaus in Lamerden über die idyllisch dahinfließende Diemel gelegt. "Rechts die hohe Baumreihe, das ist ein guter Sichtschutz", erklärt der Berufssoldat aus Holzminden. "Und links wird das Tal eng." Daher sei das rund 30 Meter lange olivgrüne Bauwerk nicht so leicht auszumachen. Und dennoch . . .

"Schauen Sie genau hin", Repp wird ein wenig hektischer. Sein Arm weist auf die Kuppe des Heuberges. Geduckt im Schatten der Bäume steht der feindliche Helikopter. "Sechs Sekunden braucht der, um uns ins Visier zu nehmen." Dann zeige er sich. Sechs Sekunden, die Zeit, die die Flakgeschütze der Grenadiere ihrerseits hätten. Der Gefechtslärm wird lauter, die Rohre der Flugabwehr rattern. Der Helikopter dreht ab, eine Leuchtpatrone signalisiert den "Abschuss".

Seit Donnerstag vergangener Woche läuft das seit über einem Jahr vorbereitete Großmanöver der Artilleriebrigade 100, an dem 1.900 Soldaten von Standorten aus ganz Deutschland teilnehmen. Einsatzschwerpunkte sind dabei die Regionen um Steinheim, Osterode, Göttingen und Warburg.

"Abseits von den eingefahrenen Wegen auf Truppenübungsplätzen"

"Gerade Übungen wie diese bringen uns nach vorne. Abseits von den eingefahrenen Wegen auf Truppenübungsplätzen ist es eben anders. Viel realitätsnäher", erläutert Brigadegeneral Hans-Joachim Fröhlich, Kommandeur der Artilleriebrigade 100. Manöver dieser Art sind allerdings eine echte Seltenheit geworden. Doch trotz des Wegfalls des Ost-West-Konflikts seien solche Übungen mit groß angeleten Verteidigungsoperationen auch heute unverzichtbar, wie Hauptmann Karsten Nehring aus dem Stab der Brigade in Mühlhausen bekräftigt.

"Virtuell" wird bei dem fiktiven Konflikt "Harzland gegen Bördeland" sogar mit über 20.000 Soldaten operiert. So ist die Artilleriebrigade Truppenteil einer rund 12.000 Soldaten zählenden Panzerdivision, die den Raum zwischen Hannover und Kassel verteidigt. Und bisher sei der "Thüringer Löwe" recht erfolgreich verlaufen. "Wir sind sehr zufrieden", bekräftigt der stellvertretender Brigadekommandeur Oberst Wolf Biwald, der gegen Mittag den Gewässerübergang in Lamerden inspiziert, gegenüber den Holzmindener Pionieren.

Für 10.30 Uhr war ein erster Zug, eine Mars-Batterie mit acht Raketenwerfern, angekündigt. Mit zwei Stunden Verspätung setzen die 32-Tonnen-Kettenfahrzeuge dann über. "Das kommt vor, das ist wie im richtigen Leben", kommentiert Oberst Biwald. Die Wartezeit sorgt im Lager der Soldaten für ein wenig Ernüchterung. "Die Fahrer hatten kaum Schlaf heute Nacht", versucht Hauptmann Nehring eine Erklärung. Ausgelaugt, so kurz vor dem Ende der Übung. Auch eine Erfahrung, die von den jungen Soldaten während des Großmanövers außerhalb der Truppenübungsplätze gemacht werde.

Beim Ausmessen der Gewässerbreite hatte sich kein Fehler eingeschlichen. Oberfeldwebel Repp zeigt das Flussprofil. Meter für Meter wurde die Gewässertiefe ausgelotet und säuberlich zu Papier gebracht. Obwohl Panzer und Lkw das seichte Gewässer auch so durchfahren hätten. "Wir müssten nur die Uferkanten brechen", so Repp. Doch geprobt werden solle ja noch einmal ein Gewässerübergang mit Brückenbau, wie am Montag bereits an der Weser bei Stahle und Wehrden, bevor das Manöver gestern um 18 Uhr endete.

Dann gings für 1.900 Soldaten, 500 Kfz, 47 Ketten- und 15 Luftfahrzeuge wieder zurück an die Standorte. Die verantwortlichen Offiziere dagegen waren noch zur Nachlese nach Fuldabrück geladen.


lok-red.warburg@neue-westfaelische.de

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