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Lippische Landes-Zeitung , 28.04.2004 :

Geschichten für den Geschichtsunterricht / Kurt Müller macht das Leben hinter den Zahlen spürbar

Bad Salzuflen (ans). "Die Mörder sitzen in der Oper" heißt das neue Buch des in Salzuflen lebenden Schriftstellers Kurt Müller, das seit kurzem im Buchhandel erhältlich ist. In 19 kurzen Geschichten gelingt es Müller, tragische Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus so aufzubereiten, dass die Unmenschlichkeit der damaligen Machthaber spürbar wird. Aus diesem Grund bereichert dieses Buch nicht nur die private Lektüre, sondern ist eine großartige Ergänzung zum Geschichtsunterricht an allen Schulen.

Den Umschlag des im first-minute-Taschenbuchverlag unter der ISBN Nummer 3-932805-38-0 erschienen Bandes ziert ein im mondänen Faltenwurf geöffneter roter Vorhang, Darunter fünf Hinterköpfe unter Pickelhauben und Zylindern. Auf den ersten Blick könnte man meinen, Müller hätte einen spannenden Krimi geschrieben. Weit gefehlt. Der 69-jährige Autor fand vielmehr eine literarischen Form, in der er Schicksalhaftes hinter den trockenen Nachrichten und Zahlen von Geschichte mitfühlbar macht.

Müllers Interesse gilt in diesem Band vor allem dem deutschen Faschismus, die der 1935 in der Badestadt geborene Müller mit der unbewussten Aufmerksamkeit und Wachheit eines Kindes miterleben musste. Aus diesem tiefen Schrecken heraus, den man dem netten älteren Herrn auf den ersten Blick hin heute gar nicht ansieht, gewinnt Müller die Kraft, seine Augen wie viele eben nicht vor dieser Zeit des unfassbaren Schreckens zu verschließen. Das allein hätte aber wohl nicht hingereicht, eine Schreibe zu finden, die berührt, ohne zu verletzen, aufweckt, ohne zu verstören und wach hält, ohne noch einmal zu traumatisieren.

Müller hält diese Balance, indem er historisch verbürgte Fakten um die Ermordung Rosa Luxemburgs oder den Selbstmord Ernst Tollers oder Walter Benjamins, aber auch um den in Salzuflen bis zum Tode verfolgten Juden David Berghausen um Dialoge, Gedanken und Gefühle ergänzt, ohne je zu überzeichnen.
Die "emotionalen" Passagen, sind zwar alle fiktiv, bleiben aber alle glaubwürdig. So hätte es sich damals ereignen können. Müller bleibt sowohl in der Berichterstattung der reinen Fakten, als auch in den sensibel hinzugefügten "emotionalen" Schilderungen auf bestechende Weise nüchtern und wandelt damit in der Spur, die ein Peter Härtling etwa in seinen biografischen Romanen über Hölderlin, Schumann oder Schubert beschreitet.

Dieses Potenzial hat sich der gelernte Dreher und Installateur nicht zuletzt im "Zirkel schreibender Arbeiter" noch zu Zeiten des "real existierenden Sozialismus" in Dessau erworben, als der junge Kommunist noch hoffte, seine Ideale in der ehemaligen DDR verwirklicht zu finden. Was sich binnen kurzem als große Illusion erwies. Aber aus Fehlern kann man lernen, und so ist Müller zu einem Autor geworden, der nicht nur, aber auch so manchem Geschichtslehrer eine große Hilfe sein kann.


Salzuflen@lz-online.de

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