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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 20.08.2008 :

Karl Peters, der Dritte / Stadt zaubert neuen Namenspatron aus dem Hut

Von Matthias Tonhäuser

Stieghorst. Die Geschichte um die Umbenennung der Karl-Peters-Straße in Stieghorst ist um einen weiteren Dreh reicher: Das Vermessungs- und Katasteramt der Stadt hat jetzt der Bezirksvertretung Stieghorst vorgeschlagen, die Straße dem Bielefelder Industriepionier Carl Peters (geboren am 2. April 1843 in Versmold, gestorben am 21. Februar 1922 in Bielefeld) zu widmen. "C/Karl Wilhelm Peters war ab 1873 Teilhaber der späteren Kochs Adler Nähmaschinen Werke AG und wesentlich am Aufschwung der Fabrik beteiligt. Er wurde in einem Nachruf 1922 als einer der 'Industriepioniere' Bielefelds bezeichnet", schreibt das Vermessungsamt. Der Industriepionier schreibt sich mit "C", wie auch seine Todesanzeige belegt, die Straße in Stieghorst beginnt mit "K".

Bernd Wagner vom Stadtarchiv teilt auf Anfrage der NW mit, dass es laut Eduard Schonewegs "Buch der Stadt" aus dem Jahr 1926 Peters war, der der Firma H. Koch & Co. einen weit über Deutschlands Grenzen hinausgehenden guten Ruf verschaffte. Peters zog sich 1895 ins Privatleben zurück, als die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.

Das Vermessungsamt gibt als Grund für den neuerlichen Namensvorschlag an: "Das Stadtarchiv hat mitgeteilt, dass es eine Biografie des Kriminologen Karl Peters, die auch eine etwaige ideologische Nähe des Betroffenen zum NS-Regime untersucht, mit vertretbarem Aufwand nicht erstellen kann."

Nach Recherchen der NW war der Kriminologe Peters Staatsanwalt beim Sondergericht Köln von 1939 bis 1941. Sondergerichte waren laut Helia-Verena Daubach, bis vor kurzem Leiterin der Forschungsstelle "Justiz und Nationalsozialismus" in Recklinghausen, Institutionen der Nationalsozialisten, die ein besonders krasses Sonderrecht anwandten. Sie sollten die Bevölkerung terrorisieren und verurteilten 40 bis 50 Prozent der Angeklagten zum Tode. "Eine Beteiligung von Peters an diesen Todesurteilen ist nach bisherigem Kenntnisstand äußerst unwahrscheinlich aufgrund seiner schwerpunktmäßigen Beteiligung bei Verfahren, in denen Jugendliche angeklagt wurden und weil er Köln bereits 1942 verließ", sagte Michael Löffelsender von der Universität Köln. Dies lasse sich aber nicht mit letzter Sicherheit sagen: "Um das zu klären, müsste man die mehreren tausend Akten zu diesem Gericht durchgehen."

Die Karl-Peters-Straße ist seit den Sechziger Jahren nach dem Afrikaforscher Carl Peters (1856 - 1918) benannt. Der Arbeitskreis "Bielefeld Postkolonial" und die Grünen monierten, dass er zwei Menschen hat umbringen lassen. CDU, FDP und BfB folgten einem Vorschlag der Anwohner, die Straße nach dem Kriminologen Karl Peters (1904 - 1998) zu benennen. Dieser war Mitglied der NSDAP, wie Recherchen der NW schnell ergaben. Die Geschichte des dritten Carl Peters ist noch genauer zu erforschen.

Kommentar / Karl-Peters-Straße / Der Nächste bitte
Von Matthias Tonhäuser

"Bitte nicht drängeln, Sie kommen alle dran!" Bei der Umbenennung der Karl-Peters-Straße geht es zu wie an der Ramschtheke. Die Politik lehnte den Rassisten ab, um den Mitläufer vorschnell vorzuschlagen und jetzt den Industriellen zu präsentieren. Sollte sich auch dieser als untauglich erweisen, hat der Wahnsinn bestimmt kein Ende: Mehr als 150 Karl Peters gibt es im Land – und das sind nur die Lebenden.

Bildunterschrift: Mit C: Todesanzeige aus der Westfälischen Zeitung.

Bildunterschrift: Carl Peters: Reproduktion eines Bildes des Bielefelder Industriellen (1843 - 1922).


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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