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Mindener Tageblatt , 24.04.2004 :

Kriegsdienstverweigerung mit Tod bezahlt / Zeuge Jehovas liest aus seinem Buch über Verfolgung im Dritten Reich / Neue Alternative für Kurlbaum-Straße in Sicht

Von Stefan Koch

Minden (mt). Auch die Zeugen Jehovas haben ihren Beitrag zum Widerstand im Dritten Reichen geleistet. Einer von ihnen wird dazu am 15. Mai eine Literaturlesung veranstalten. Ein anderer - er wurde von den Nazis ermordet - soll durch einen Straßennamen in Minden in Erinnerung gehalten werden.

"Der Tod kam immer montags" ist der Titel des Buches von Horst Schmidt. Der 84-Jährige wurde 1920 in Lübbecke geboren, wuchs aber in Berlin bei Pflegeeltern auf. Nicht nur der Umstand, dass er einen jüdischen Ziehvater hatte, sondern auch sein Bekenntnis zur Glaubenslehre der Zeugen Jehovas brachte ihn mit den braunen Machthabern in Konflikt. So beteiligte er sich an der illegalen Verteilung des "Wachturms" und verweigerte den Kriegsdienst. Dafür wurde er 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.

Thema der Vortragsveranstaltung am 15. Mai, in der Zeit von 15 bis 17 Uhr, im Weserkolleg in Minden, ist die Zeit des Widerstandes im Dritten Reich und die Haft. In seinem Buch beschreibt Schmidt die Kontakte zu seinen Familienangehörigen und Glaubensbrüdern, die während der letzen Kriegsjahre durch die NS-Justiz ihr Leben verloren. Stationen des Autors waren nach seiner Verhaftung die Gefängnisse in Danzig und Berlin-Mohabit. Im Zuchthaus Brandenburg-Görden sollte schließlich die Todesstrafe vollstreckt werden. Doch obwohl der Scharfrichter am 20. April 1945 noch eine Blutorgie mit 28 Toten absolvierte, behielt Schmidt sein Leben. Sowjetische Soldaten befreiten wenige Tage später die Inhaftierten.

Feindbilder von Kirchen übernommen

In einem Exkurs zum Ende des Buchs widmet sich der Autor den Hintergründen der Verfolgung der im Dritten Reich als "Bibelforscher" bezeichneten. Da sie sich nach dem Ersten Weltkrieg öffentlich gegen den Kriegsdienst bekannten, fielen sie den Nationalsozialisten bereits früh auf. Nach Darstellung Schmidts habe deren Chefideologe Alfred Rosenberg der Glaubensgemeinschaft unterstellt, gemeinsam mit den Juden eine "jüdische Weltherrschaft" anzustreben. Die in NS-Kreisen geprägten Feindbilder hätten auch die evangelische und katholische Kirche aufgegriffen.

Dass der Vortrag am 15. Mai in Minden stattfindet, ist übrigens kein Zufall. Manoah Angenfort, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Zeugen Jehovas in der Region: "An diesem Tag jährt sich die Hinrichtung Heinrich Kurlbaums zum 60. Mal.

Heinrich Kurlbaum wurde in Oberlübbe geboren und war in Minden zunächst als Pionier stationiert. Weil er sich an der Ostfront weigerte, mit einer Waffe in der Hand zu kämpfen, wurde er wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt. Bereits seit vier Jahren bemühen sich die Zeugen Jehovas und ein Unterstützerkreis Heinrich-Kurlbaum- Straße um eine entsprechende Straßenbenennung - die allerdings im Bereich der ehemaligen Simeonskaserne sein soll.

Nach einer Unterschriftenliste und anderen Willensbekundungen waren bislang mehre Versuche gescheitert. Zuletzt hatte Ralf Schönwald, ebenfalls Sprecher der Zeugen Jehovas, am Dienstag von der Stadtverwaltung die Auskunft erhalten, dass eine Querung vom Preußen-Museum zum Schwichowwall eine Möglichkeit sei. Am 12. Mai 2004 werde der Bauausschuss über diese Vergabemöglichkeit für eine Straßenbenennung in Erinnerung an Heinrich Kurlbaum befinden. Entsprechende Mittel seien zudem im Haushaltsplanentwurf 2004 vorgesehen. Schönwald: "Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Bundesrepublik Deutschland geht nicht zuletzt auf Leute wie Kurlbaum oder Horst Schmidt zurück."

24./25.04.2004
mt@mt-online.de

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