Kurze Chronologie eines Verfahrens ,
14.07.2008 :
Haftantritt für Marcus Winter
Sieben öffentliche Verhandlungstage, zwei Entscheidungen nach Aktenlage und fünf gerichtliche Instanzen hat es gedauert, den bis heute führenden Kopf der "Nationalen Offensive Schaumburg" (NOS), Marcus Winter, wegen Volksverhetzung zu verurteilen. Letztmalig am 10. Juni verwarf das Oberlandesgericht (OLG) in Celle die von Winter eingelegte Revision.
Vorgeschichte
Am 28. Januar 2007 wurde auf der damaligen Internetseite der NOS ein Artikel veröffentlicht, in dem Überlebende des Holocaust in nationalsozialistischer Diktion als "Volksschädlinge" verunglimpft und deren Nachkommen als "Mischpoke" bezeichnet wurden. Unter der Überschrift "Holocaust-Überlebende fordern NPD-Verbot - Wann endlich verbietet man Holocaust-Überlebende?" wurden Opfer verhöhnt und deren Leiden verharmlost. Der Text gipfelte in der Forderung "Schmeißt die Bande endlich raus".
Am 8. Februar 2007 durchsuchten daraufhin die Staatsanwaltschaft Bückeburg und das Fachkommissariat Staatsschutz der Polizeiinspektion Nienburg / Schaumburg die zu dieser Zeit von Arwid Christoph Strelow und Marcus Winter gemeinsam genutzte Wohnung in der Schöttlingerstraße 14 in Lindhorst. Dabei wurden zwei Computer als Beweismittel beschlagnahmt.
Bückeburgs leitender Oberstaatsanwalt Thomas Pfleiderer erhob innerhalb kurzer Zeit Anklage im so genannten "Beschleunigten Verfahren", so dass es bereits einen Monat nach der Durchsuchung, am 8. März zum erstinstanzlichen Prozess vor dem Amtsgericht Stadthagen kam
Dort wurde Winter am 19. März 2007 wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die IV. Kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg hatte die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nach zwei Verhandlungstagen mit Urteil vom 16. Juli 2007 verworfen. Dieses Urteil hatte das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 5. November 2007 wiederum wegen "erheblicher Formfehler" aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die III. Straf- und Berufungskammer des Landgerichts Bückeburg verwarf die Berufung von Winter nach drei Verhandlungstagen am 28. Januar 2008 erneut. Nach der Bestätigung des Urteils durch das OLG Celle, dem Widerruf zweier Bewährungsstrafen und der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe, lud die Staatsanwaltschaft Bückeburg den militanten Neonazi heute zum Haftantritt in die JVA Bückeburg vor.
Vorstrafen
Neben Volksverhetzung ist Winter auch wegen der folgenden Straftatbestände rechtskräftig verurteilt worden: Verletzung der Vertraulichkeit, Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Beleidigung, Betrug, Urkundenfälschung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, räuberischer Erpressung, (gemeinschaftliche) gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Freiheitsberaubung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Über die Verurteilung wegen einer Entführung und Misshandlung eines jungen Antifaschisten durch Marcus Winter und drei andere Neonazis, berichtete die "Schaumburger Zeitung" am 11. März 2004 unter anderem:
"Marcus W., der an dem Abend etwa 15 Biere und die gleiche Menge an alkoholischen Mixgetränken konsumiert hatte, wirkte auf das Geschehen außerhalb der Stadt bremsend und mäßigend ein. Anders als die früher Verurteilten, die sich inzwischen in einem Aussteiger-Programm befinden und der rechten Szene den Rücken gekehrt haben sollen, bleibt Marcus W. seiner politischen Gesinnung treu. Allerdings will er nach seiner Haftentlassung keine Informationstische mehr aufbauen und auch keine Demos mehr anmelden. "Sie sind gewalttätig durch und durch", wandte sich Landgerichtspräsident Friedrich von Oertzen an den Angeklagten. Und Oberstaatsanwalt Thomas Pfleiderer fügte hinzu: "Die Tat trug sehr feige Züge." Nur widerwillig und mit Tränen in den Augen hörte sich Marcus W. die Urteilsbegründung an."
Vorausblick
Welche Auswirkungen Winters inzwischen dritte Inhaftierung in Hinblick auf die Handlungsfähigkeit der NOS haben wird, bleibt abzuwarten. Als Versammlungsleiter für den Neonazi-"Trauermarsch" am 2. August in Bad Nenndorf fungiert nun Christian Müller aus Nienstädt, der dort auch als "regionale freie Kraft" für eine Rede angekündigt wird. ... aus Ahlen, dessen Hauptrolle im Videoclip "Terrorcrew OWL Bad Salzuflen 28" vor einiger Zeit noch für eine öffentliche Distanzierung Winters sorgte, soll als weiterer Führungskader mithelfen, die neonazistischen Strukturen zu stabilisieren. Explizit nicht zur Diskussion stand übrigens dabei Marco Siedbürger aus Minden, der wohl weiterhin die Rolle des Kettenhundes übernehmen soll und wird.
Dass der neonazistische Totschläger gerade innerhalb von einer Woche drei Freisprüche in Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung erreichte, ist bei beinahe 50 eingeleiteten Ermittlungsverfahren seit seiner Haftentlassung 2005 besonders erwähnenswert. Aber das ist ein anderes Kapitel ...
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