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Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen , 05.04.2004 :

Offener Brief der Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen Brigitte Pothmer an den Landesvorsitzenden der CDU Niedersachsen Christian Wulff zu rechtspopulistischen Vorgängen in der CDU

An den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen und Landesvorsitzenden der CDU
Herrn Christian Wulff

Sehr geehrter Herr Wulff,

Ihr Parteifreund Jürgen Bregulla, CDU-Chef von Pohle (Kreis Schaumburg), hat in einer Rede den Zuzug von Ausländern als "Tumor" bezeichnet, "der die Gesundheit unserer Gesellschaft bedroht" und "wegoperiert" werden müsse. Die Ereignisse um diesen Auftritt haben zu Recht eine breite Empörung ausgelöst.

Offenbar betrachtet Ihre Partei aber diesen Vorfall als erledigt, nachdem Herr Bregulla eine bedauernde Erklärung abgegeben hat. Ich halte dieses Vorgehen für unverantwortlich und kann mir nicht vorstellen, dass Sie als Landesvorsitzender und Ministerpräsident dem zustimmen.

Es ist wohl unstrittig, dass die Wortwahl einzelner Passagen der Rede menschenverachtend ist und direkt an nationalsozialistischen Sprachgebrauch erinnert. Unstrittig ist auch, dass Herr Bregulla sich nicht unbedacht in dieser Weise geäußert hat, sondern dass die Rede vielmehr schriftlich vorbereitet war und die örtliche Presse ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass "es eine schöne Schlagzeile" geben würde.

Vor diesem Hintergrund ist die Art und Weise, wie Ihre Partei den Vorgang vergessen machen möchte, völlig unakzeptabel.

Die Methode, Hetze zu betreiben und sich dann nach Tagen auf Grund von öffentlichem Druck davon zu distanzieren, erscheint wie eine infame Strategie.
Ich erinnere:

Ihr langjähriges Parteimitglied, der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann, äußerte sich in einer öffentlichen Rede antisemitisch.

Erst auf öffentlichen Druck kam es zum Versuch einer Distanzierung.

Ihr niedersächsischer Landtagsabgeordneter Thorsten Thümler solidarisierte sich in einer Anzeige, in der es ausdrücklich heißt, die besagte Rede sei nicht antisemitisch, mit Herrn Hohmann.
Erst auf öffentlichen Druck kam es zur Distanzierung.

Und jetzt tritt Herr Bregulla in dieser Weise auf – und das in Anwesenheit Ihres Landtagsabgeordneten Joachim Runkel -
und erst auf öffentlichen Druck kommt es zu einer Erklärung des Bedauerns.

Ihre Fraktion hat im Zusammenhang mit der Hohmann/Thümler-Debatte im November letzten Jahres im Landtag erklärt: "Der Abgeordnete (gemeint ist Hohmann) hat Grenzen überschritten, die nicht überschritten werden dürfen, schon gar nicht von einem Volksvertreter, der Vorbild für alle Bürgerinnen und Bürger und vor allem für junge Menschen sein muss. Diese Grenzen sind erreicht, wenn man sich zu Deutschland nur durch negative Vergleiche zu anderen Menschengruppen bekennen kann."

Bleibt zu fragen, ob diese Erklärung im Zusammenhang mit den volksverhetzenden Äußerungen des Herrn Bregulla keine Gültigkeit haben soll?

Herrn Bregullas Verhalten muss von neonazistischen und anderen ausländerfeindlichen Gruppierungen als Ermutigung verstanden werden.

Die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei und auch Ihre eigene Glaubwürdigkeit als Landesvorsitzender stehen auf dem Spiel, wenn der Vorfall aus der letzten Woche jetzt ohne Folgen bleiben wird.

Für diesen Fall würden auch Sie sich persönlich dem Vorwurf der Billigung von rechtspopulistischen Umtrieben in Ihrer Partei aussetzen.

Es ist deshalb Ihre Pflicht als Landesvorsitzender, diesen Vorgang aufzuklären, für eine klare Distanzierung und entsprechende Konsequenzen zu sorgen.

Dass Volksvertreter, die solche Reden führen, in Parlamenten nichts zu suchen haben, muss nicht nur für den Bundestag oder den Landtag gelten, sondern auch für kommunale Parlamente.

Und das sollte auch für die Mitgliedschaft in Ihrer Partei gelten.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Pothmer


landesverband@gruene-niedersachsen.de

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