Lippische Landes-Zeitung ,
14.04.2004 :
Prügelei vor der Bühne / "Schrottgrenze" und "Tagtraum" spielen im Jugendzentrum Detmolder Straße
Oerlinghausen (neu). Es gibt viele Faktoren, die für ein schlechtes Konzert verantwortlich sein können: Mieser Sound, langweilige Band, falsche Location. Beim Auftritt von "Schrottgrenze" und "Tagtraum" im autonomen Jugendzentrum Oerlinghausen jedoch war das Publikum schuld daran, dass einem der Spaß an diesen beiden großartigen Bands schnell verging.
Genau genommen war es nur eine handvoll Besucher, die mit ihrem provokanten und rücksichtslosen Verhalten die gute Laune verdarben. Ihr Auftreten mutete fast wie ein Lehrstück an, was Pogo nicht sein sollte: Ein Kampf vor der Bühne, bei dem statt Spaß an der Musik Gewalt und Aggression im Vordergrund stehen. So schafften die Beteiligten es innerhalb kürzester Zeit, dass viele der Zuhörer genervt den Raum verließen.
Schade, denn in musikalischer Hinsicht hatten beide Bands viel zu bieten. Bei "Schrottgrenze" täuscht der Name erfreulicherweise, die vier Jungs aus Peine spielen Rock mit netten Melodien und viel Abwechslung. Da darf es auch ruhig und melancholisch werden, ohne dass die deutschen Texte peinlich wirken. Insofern kann der selbstironische Bandname als Erinnerung an frühere, härtere Zeiten verstanden werden. "Vaganten und Renegaten" heißt ihr neuestes Album, dazu gibt es eine Mini-CD "Bella Donna", von beiden stammten die meisten Stücke an diesem Abend. Gleich nachdem er die Bühne betreten hatte, wandte sich "Tagtraum"-Gitarist Mathias Nürnberger ans Publikum und gab Nachhilfeunterricht im Pogen. Netter Versuch, leider ohne großen Erfolg. Die Dreier-Formation aus Schweinfurt kombinierte wuchtigen Punkrock mit melodischen Passagen, spielte energiegeladen und regte zum Nachdenken an. Sie wollten keine Parolen, darauf legen sie wert, und setzten diesen Grundsatz auch konsequent um. Seit 1993 existiert die Band, in dieser Formation seit drei Jahren, und bis heute haben sie sich viele Fans gemacht. Die Textsicherheit der Zuhörer war an einigen Stellen fast unheimlich, der Merchandising-Stand belagert wie selten bei Konzerten im JZO. Dennoch: Zum Schluss hatte Nürnberger sichtlich keine Lust mehr auf das Publikum, die Zugabe kam widerwillig und erst nach langem Warten. Übel nehmen konnte man ihm das nicht.
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