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Lippische Landes-Zeitung , 13.04.2004 :

Der 1-Euro-Mann / Denis Darlain Djakpou-Defo aus Kamerun ist ein Asylbewerber in Lemgo

Lemgo. Das Leben scheint verworren wie ein Dschungel, die Wege führen Richtung irgendwo. Allein das Ziel verschwindet wie eine Fata Morgana. Sein Ziel ist Integration, sein Bemühen ernsthaft, seine Laune ungebrochen. Denis Darlain Djakpou-Defo ist ein Asylbewerber in Lemgo. Der Mann aus Kamerun steht nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Und die engmaschige Bürokratie in diesem Land lässt einen Seitenwechsel kaum zu. Dennoch: Djakpou-Defo ackert weiter für ein anderes Leben.

Der Mann aus Kamerun, 35 Lenze alt, lebt seit knapp einem Jahr in der Stadt. Wie alles kam, wie es ist… Djakpou-Defo war Lehrer in Douala, einer großen Stadt in Kamerun. Er unterrichtete Mathe, Physik und Chemie. Nebenbei engagierte er sich in der Politik. Lehrer in der Politik? In Deutschland gibts kaum eine normalere Beschäftigung. Für den Lehrer in Douala wurde seine politische Arbeit allerdings zur Fußfessel. "In Kamerum gibt es nur eine theoretische Demokratie. Die Wahlen werden regelmäßig manipuliert", erzählt der Asylbewerber aus der noch jungen Vergangenheit. Djakpou-Defo war in der Oppositionspartei, versteht sich. Und übte Kritik an den Machthabern.

Die Zeiten wurden härter, als der 35-Jährige im vergangenen Jahr bei einer Wahl die Interessen seiner Partei öffentlich vertrat. "Ich war so etwas wie ein Pressesprecher", erklärt er. Nach einem Disput mit Regierungsvertretern schickte man ihm die Polizei ins Haus und ließ ihn verhaften. "Ich saß eine Woche im Gefängnis, durfte keinen Besuch empfangen und keinen Anwalt sprechen", schildert er einen Umstand, der darin mündete, einige Wochen später Kamerun zu verlassen, von Gabun aus nach Frankfurt zu fliegen und hier Asyl zu beantragen. "Ich fühlte mich nicht mehr sicher, als ich endlich aus dem Gefängnis entlassen wurde."

In Deutschland erwartet Asylbewerber ein schematisches Programm: Anhörung, Einschätzung des entsprechenden Bundesamtes, Unterbringung für einige Wochen im Auffanglager, Zuweisung in eine Stadt, die zuletzt wenig Asylbewerber aufgenommen hat. Sven Neese, der sich in Lemgo um Flüchtlingsarbeit kümmert, stellt sachlich fest: "Dass Djakpou-Defo in Lemgo gelandet ist, ist reiner Zufall."

Nun wohnt er seit April 2003 in der Laubke, fast ein Jahr ist vergangen, und wartet auf ein Signal des Staatsapparats. Ein Signal, das über seine Zukunft entscheidet. Wobei Djakpou-Defo kein X-beliebiger Asylbewerber ist. Auch Neese meint: "Intellektuelle sind es in den seltensten Fällen." Bürgerkriegsopfer sehen ohnehin anders aus. Djakpou-Defo fühlt sich politisch verfolgt, der Staat Deutschland sieht es erstmal anders. Kamerun steht auf dem Index nicht da, wo ein Land stehen muss, damit jemand als Asylbewerber anerkannt werden könnte. Der hiesige Staat sagt also "Nein". Djakpou-Defo durfte trotzdem bleiben, will die Angelegenheit vor dem Verwaltungsgericht in Minden erneut prüfen lassen. Neese: "Das Bundesamt erkennt Asylbewerber nur in 3 Prozent der Fälle an, die Verwaltungsgerichte revidieren die Urteile teilweise, kommen auf eine Quote von etwa 11 Prozent." Die Chance für den ehemaligen Lehrer aus Kamerun ist gering, aber es gibt sie.

Stellt sich die Frage: Was macht Denis Darlain Djakpou-Defo bis dahin? Vorab: Asylbewerber dürfen nicht einfach eine Arbeit annehmen. Erst, wenn für einen denkbaren Job ein deutscher Arbeitsloser nicht aufzutreiben ist, auch ein EU-Ausländer die Arbeit nicht will, ist der Asylbewerber an der Reihe. Also könnte Djakpou-Defo eigentlich in seinem Zimmer mit den anderen drei Asylbewerbern aus Afrika sitzen und Däumchen drehen. Tut er aber nicht.

"Ich muss was tun. Für mein Image, für meine Sprache, für meine Integration", sagt der Mann aus Kamerun. Und hat sich Unterstützung gesucht. Die fand er im Kindergarten Bodelschwingh. Dort arbeitet er seit einiger Zeit für 1 Euro die Stunde. Täglich. Reich werden kann er dadurch nicht, aber das war auch nicht sein Ziel. "Ich wollte mich nützlich machen", stellt er fest. Der einstige Lehrer räumt den Spielplatz auf, agiert in der Hauspflege oder bei allen anfallenden Arbeiten zwischendurch. Mit Kindern kann erschließlich umgehen. Nebenbei erlernte er die deutsche Sprache. "Schwer, aber es wird", stellt er fest. In Kamerun spricht man Französisch, dazu rund 200 Dialekte, das hilft Djakpou-Defo in Lemgo null.

Nun das Problem: Zwischen Baum und Borke hängend - Gerichtsentscheidungen können sich Jahre hinziehen, oft genug liegen Berge von Akten und Fällen bei den Verwaltungsgerichten -, will sich der Mann aus Kamerun weiter um seine Integration mühen. Er singt in der Marienkantorei, spielt Fußball mit Freizeitkickern am Biesterberg, hält seine politischen Kontakte mit anderen Oppositionellen aus Kamerun aufrecht und würde gern Elektrotechnik an der FH Lippe studieren. Wenn nicht der Apparat namens Bürokratie die Sache nahezu unmöglich macht.

Der Konflikt: Als Asylbewerber bezieht Djakpou-Defo finanzielle Unterstützung aus dem Topf der Sozialhilfe. Als Student würde er das Geld nicht mehr erhalten. Als Student müsste er Bafög beantragen. Aber: Asylbewerber können kein Bafög beantragen. Also müsste er sich das Geld für Verpflegung und Studiumskosten selbst verdienen. Aber: Asylbewerber dürfen - oben erwähnt - sich nicht einfach eine Arbeit suchen. Sie dürfen nicht einmal aus dem Wohnheim ausziehen. Und wenn Djakpou-Defo einen Freund in Berlin besucht, gibts für die paar Tage auch kein Geld. Beißt sich die Katze hier vielleicht in den Schwanz?

Der frühere Lehrer aus Douala lässt sich allerdings von den lähmenden Umständen des Seins nicht schocken. Er lernt weiter die Sprache, macht seinen 1-Euro-Job und wartet auf die Gerichtsentscheidung aus Minden. Sven Neese sagt mit einem Augenzwinkern: "Ein Stipendium würde das Studium vielleicht machbar erscheinen lassen. Wenngleich das Studium nicht gleichermaßen ein Bleiberecht nach sich zieht." Fazit: Djakpou-Defo könnte es sogar passieren, dass der Traum vom Studium in Deutschland real wird, das Land selbst aber ein Flugticket nach Kamerun ausstellt. Auf dem steht: Abgeschoben. Nicht anerkannt.


Lemgo@lz-online.de

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