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Deister- und Weserzeitung , 18.04.2008 :

Gedenken im "Lenner Lager" / Schrecken der Vergangenheit nicht vergessen / "Nie wieder Rechtsextremismus"

Eschershausen/Lenne (nig). Rechtsradikalismus, bedauert der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy, sei in der heutigen Gesellschaft leider eine Realität. "Aber ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er nicht zur Normalität wird", appelliert er am Mittwochabend in der Aula des Schulzentrums Eschershausen. Anlass für die Ausführungen des Vorsitzenden des Innenausschusses im Deutschen Bundestag: Eine von der Bundestagsabgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller initiierten Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Landkreis Holzminden mit dem Titel "Gegen das Vergessen – nie wieder Rechtsextremismus".

Rund 100 Gäste sind der Einladung gefolgt, besichtigen zum Auftakt das ehemalige "Lenner Lager", das zum Zwangsarbeiterlager Holzen, Schwarzes Land, gehörte. 35 Baracken standen hier zum Ende des zweiten Weltkrieges, 5.500 Menschen aus 27 Nationen wurden zusammengetrieben, mussten in den unterirdischen Stollen für die Rüstungsindustrie arbeiten. Von den Unterkunftsbaracken existieren heute noch die Fundamente, eines der Häuser wurde im vergangenen Jahr von der Jugendwerkstatt der KVHS wieder aufgebaut. Projektleiter Bernd Wengel erläutert bei der Gedenkveranstaltung die Details des Nachbaus, der auf den originalen Fundamenten steht. Ursprünglich waren diese Unterkünfte aus Betonfertigteilen hergestellt, für den Nachbau aber hat man Holz verwendet. Größe und Aufteilung der vier Räume sind anhand historischer Bauakten originalgetreu rekonstruiert.

Nur ein Brikett pro Tag

"Bis zu 32 Menschen lebten in einem Raum zusammen", erinnert der Historiker Detlef Creydt an die erbärmliche Situation der Zwangsarbeiter im Lenner Lager. "Jeder Raum hatte einen Ofen, es gab aber nur ein Brikett pro Tag."

Das Lenner Lager soll in der nächsten Zeit zu einer Gedenkstätte ausgebaut werden, die auch ohne Führung von Besuchern besichtigt werden kann. Neben der KVHS engagieren sich hier schon seit einiger Zeit Realschüler aus Delligsen. Schon jetzt weisen Schilder an markanten Stellen im Gelände darauf hin, Menschen welcher Nationen hier untergebracht waren.

Einen Überblick über die gewaltigen Dimensionen des Lenner Lagers vermittelt ein Blick vom Aussichtsturm, den die Helfer der Jugendwerkstatt ebenfalls errichtet haben. Die Fundamente der Baracken zeichnen sich im Waldboden noch sehr deutlich ab. "Hier wird Geschichte anschaulich gezeigt, die wir niemals vergessen dürfen", begründet Gabriele Lösekrug Möller ihre Initiative zu der Gedenkveranstaltung, die im Schulzentrum Eschershausen mit einer Diskussionsrunde fortgesetzt wird.

Mit einem hochkarätig besetzten Podium debattiert sie in der Aula über die wachsende Gefahr durch Rechtsextremismus. Mit Sebastian Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses, hatte sie dazu einen ausgewiesenen Experten gewinnen können. 40.000 Menschen, schätzt Edathy, bildeten in Deutschland das Potenzial für die Rechte Szene. Die Hälfte davon sei organisiert, 10.000 gewaltbereit. "Diese Zahl steigt leider kontinuierlich an." Auch die Zahl der entsprechenden Straftaten steige. "Jeden Tag werden in Deutschland durchschnittlich drei Menschen Opfer von rechtsextremistischen Angriffen", sagt der Abgeordnete, appelliert daran, mit Präventivprogrammen den Einstieg von Jugendlichen in die rechtsextreme Szene möglichst frühzeitig zu verhindern. "Hier sind wir alle als Demokraten gefordert."

Auf die Erkennungszeichen von Rechtsextremen ging Reinhard Schneider, als Kriminaloberkommissar bei der Polizei in Hameln zuständig für den Staatsschutz, näher ein. Bomberjacken bestimmter Marken, aber auch gewisse Zahlencodes, seien eindeutige Merkmale. "Es sind nur Anhaltspunkte", so Schneider. "Nicht alle Rechtsradikalen laufen so rum." Eine aktuelle Gefahr sei die Verbreitung von so genannten Schulhof CDs mit rechtsextremen Liedern. "Ein beliebtes Mittel für die Nachwuchsgewinnung."

Schutz vor Rechtsradikalen

Mit welchen Mitteln die Jugend im Weserbergland gegen rechtsradikales Gedankengut geschützt werden kann, darüber debattierten im Podium außerdem Friedhelm Korsen, Schulleiter der Berufsbildenden Schulen Holzminden, Superintendent Ulrich Wöhler, Rainer Dörnbrack und Dr. Wolfram Ender von der Zivildienstschule Ith sowie Tobias Frank, Leiter des Freiwilligenzentrums Holzminden.

Bildunterschrift: Blick auf das Gelände mit nachgebautem Lager vom Turm.


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