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Bünder Tageblatt / Neue Westfälische , 08.04.2004 :

"Grundsätzlich hier sehr zufrieden" / Asylbewerber fühlen sich wohl in neuem Heim / Viel mehr Ruhe und Sauberkeit als in den Containern

Von Tobias Heyer

Bünde. Als vor gut zwei Wochen die Mitglieder des Bünder Haupt- und Finanzausschusses das neue Asylbewerberwohnheim besuchten, hatten einige ein ungutes Gefühl im Bauch, als sie die Bewohner in ihren Zimmern aufsuchten. "Das fühlt sich ein bisschen an, als gehe man durch den Zoo", drückte ein Ratsmitglied beim Gang durch das U-förmige Gebäude sein Unbehagen aus. "Uns hat das eigentlich gefreut, dass wir mal Besuch bekommen haben", sah Abdul Sultani zwei Wochen später die Angelegenheit aber eher positiv.

Wie 33 andere Männer lebt der 20-jährige Afghane in dem neuen Gebäude und ist froh, dass sich die, die für den Bau verantwortlich sind, ein Bild von der Situation vor Ort gemacht haben. "Grundsätzlich sind wir hier sehr zufrieden", so Sultani, der mit 16 Jahren als Asylbewerber über viele andere Staaten nach Deutschland kam. Eine Wohneinheit im neu gebauten Heim besteht aus zwei Zimmern und einen Sanitärraum. Sechs Asylbewerber bewohnen eine solche Einheit, drei in jedem Zimmer auf gut 20 Quadratmetern.

"Im Container an der Cloppenburgstrasse waren das fast doppelt so viele", rechnet Sultani vor, der noch viele weitere Vorteile des neuen Heimes gegenüber den Containern aufzählt. Jetzt endlich ist es sauber und ruhig und auch die Schlägereien und die Auseinandersetzungen mit Betrunkenen, die nachts die Asylbewerber aufsuchten und Ärger verbreiteten, sind vorbei.

Dass das neue Wohnheim nicht an Milliardärs-Wohnsitzen in Malibu-Beach gemessen werden darf, dafür haben die Bewohner natürlich Verständnis. "Durch einige Ritzen pfeift der Wind", berichten die Bewohner. "Aber gibt es viel mehr Platz, eine gemeinsam genutzte Küche und eine Waschmaschine."

Schön, wenn man auch noch sein eigenes Brot backen könnte

Allerdings vermisst ein Palästinenser, dessen Asylantrag bereits abgelehnt wurde und der in Deutschland nur noch "geduldet" wird, einen Ofen, in dem er selbst Brot backen kann. Schwierig sind für die Asylbewerber auch die Fortbewegung und das Einkaufen. "Wir müssen alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen", bedauern die Heimbewohner das Fehlen einer Bushaltestelle in ihrer Nähe. Doch weit fahren dürfen die Asylanten mit dem Rad auch nicht, denn man darf sich als Asylant nur 30 Kilometer vom Wohnort entfernen und eine Landesgrenze – wie die zu Niedersachsen – ist erst recht tabu. "Wenn man erwischt wird, kostet das 40 Euiro Strafe", berichtet Abdul Sultani, der bei dieser Gelegenheit auch gleich seine Monatsrechnung aufmacht. 220 Euro gibt es für jeden Asylbewerber, davon ist alles zu bezahlen.

Auch deshalb freuen sich Sultani und seine Wohnungsnachbarn über den Umzug in die neuen Räume: "In den Containern war es so schmutzig, dass wir oft zwei Euro ausgeben mussten, um im Hallenbad duschen zu können." Jetzt organisieren die Bewohner den Putzdienst selber, kontrollieren die Mitbewohner und erfreuen sich an einem Bad, "das endlich richtig sauber ist und gerne genutzt wird".

Täglich täglich schaut der Hausmeister nach dem Rechten – und trifft dabei inzwischen "gute, alte Bekannte". Abdul Sultani: "Bei uns herrscht kein großes Kommen und Gehen, wir kennen uns schon sehr lange." Denn jahreslanges Warten auf das Ergebnis des Asylantrages ist keine Seltenheit und auch nach dem Eingang des Bescheids gibt es kein echtes Ergebnis.

Im Fall Sultani wurde der Antrag abgelehnt. "In Afghanistan ist der Krieg vorbei, da gibt es dann keinen Asylgrund mehr", erläutert der Afghane, der 13 Sprachen beherrscht und für die anderen Mitbewohner bei Behördengängen als Dolmetscher tätig wird. Inzwischen sieht sich Sultani selbst als heimatlos, sein Vater wurde von den Taliban erschossen, der Rest der Familie wanderte in die USA aus. Ihnen folgen kann Sultani nicht, weil er weder Pass noch Visum hat. Die afghanische Botschaft verwehrte ihm die Heimkehr, weil Sultani keine afghanischen Dokumente vorweisen kann. "Und solange das nicht geklärt ist, bleibe ich hier", erzählt der 20-Jährige, der in Deutschland nicht arbeiten darf und sich alle 14 Tage eine neue Aufenthaltsgenehmigung in seine Asyl-Unterlagen stempeln lässt.

Iraker freut sich nach Hussein-Sturz auf Heimkehr

Es gibt auch andere Fälle im Asylbewerberheim. Zum Beispiel den eines älteren Irakers, der nach der Entmachtung von Saddam Hussein zurück will in die alte Heimat. Bald geht es zurück nach Hause und er freut sich schon jetzt auf die Abreise.

Andere warten noch auf einen positiven Bescheid auf ihren Asylantrag, aber viel Hoffnung haben die Männer aus Afrika, Palästina, Syrien, Irak und der Türkei nicht. "Als wir noch im Container gewohnt haben, da haben es auch nur ganz wenige geschafft, Asyl zu bekommen", erzählt Abdul Sultani. Wann für ihn der Zeitpunkt des Auszugs kommt, ist ebenso unklar wie seine weitere Zukunft. "Dann werde ich mal sehen", zuckt er mit den Schultern. So wird er noch einige Zeit im Asylbewerberwohnheim wohnen, wo er Freunde gefunden hat, wo die Bewohner arabisches Fernsehen empfangen können und wo es so schön ruhig ist.


lok-red.buende@neue-westfaelische.de

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