Bielefelder Tageblatt (MW) / Neue Westfälische ,
14.03.2006 :
Die Zerstörung des Viaduktes / Videoproduktion der Neuen Westfälischen ab heute wieder im Handel
Von Frank Bell
Bielefeld-Schildesche. 14. März 1945, 16.29 Uhr: Die größte Sprengstoffbombe des Zweiten Weltkrieges zerstört heute vor 61 Jahren den Schildescher Viadukt. Am 50. Jahrestag des Bombenabwurfs sahen zahlreiche Bielefelder und Schildesche die Videoproduktion der Neuen Westfälischen. Nach 20 Jahren ist das Zeitdokument "Als die Erde bebte – Die Zerstörung des Schildescher Viaduktes" ab heute wieder erhältlich. Die NW-Geschäftsstellen Niedernstraße und Hauptstraße halten die DVDs zum Preis von 9,90 Euro bereit. Mit der NW-Karte gibt es 20 Prozent Rückerstattung aufs Konto.
Royal-Air-Force-Pilot Charles C. Calder klinkt in seiner Lancaster PD 112 am 14. März 1945 um 16.29 Uhr in 3.600 Meter Höhe über Schildesche eine Bombe aus. Das zehn Tonnen schwere Monster nennt sich "Grand Slam" (Großer Knall). Es ist die größte konventionelle Bombe, die im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland abgeworfen wird. Erst bei diesem 54. Luftangriff gelingt es den Alliierten, den Eisenbahnviadukt zu zerstören.
Der Bombentrichter auf der Schildescher Seite hat einen Durchmesser von 60 Metern. Das Ereignis hat jedoch auf den Verkehrs der wichtigen Reichsbahnstrecke keine Auswirkung. Denn schon 1943 war die "Gummibahn" fertiggestellt worden, eine 3,4 Kilometer lange Umfahrung des Johannisbachtals, die bis 1964 in Betrieb bleibt.
NW-Geschäftsführer Axel Frick war 1985 Redakteur im damaligen Videostudio dieser Zeitung. Er recherchierte Daten und Fakten, befragte Zeitzeugen zum Tag, als in Schildesche die Erde bebte, und förderte vor allem bis dahin nie gesehenes Filmmaterial aus Archiven in England und den USA zutage: Die Briten hatten unter anderem den Abwurf der Grand-Slam-Bombe in Bild und Ton festgehalten.
In den 54 Angriffen verwandeln Amerikaner und Briten das Gelände um den 1847 errichteten Viadukt in eine Kraterlandschaft. Sie werfen über 3.500 Sprengbomben.
Vor allem die 8. US-Luftflotte versucht ab 1941, mit 250- und 500-Kilo-Bomben das viergleisige Bauwerk zu treffen. Allein 1944 werfen die US-Piloten 2.151 Sprengbomben und 33.000 Brandbomben. Ein kleines Stück der Brücke können die Deutschen schnell durch eine Stahlkonstruktion ersetzen.
Auch in den umliegenden Ortschaften Milse, Laar, Vilsendorf und Brake richten die Bomben schwere Verwüstungen an. Mindestens 130 Todesopfer gibt es in Schildescher zu beklagen.
Grand Slam detoniert nach den späteren Feststellungen von Cheffeuerwerker Hans-Joachim Ulmer in 18 Metern Tiefe. Obwohl sie ihr Ziel um 30 Meter verfehlt, bricht der Viadukt an der Stelle auf einer Länge von 130 Metern zusammen. Erdbebenartige Wellen lassen die Pfeiler des Bauwerkes wie Streichhölzer einknicken. Gleichzeitig verhüllt weißer Rauch die Einschlagstelle, für Ulmer als früherer Chef des Kampfmittelräumdienstes ein Zeichen für die Verwendung von Torpex-Sprengstoff.
Bis heute sind die Folgen der Viadukt-Sprengung spürbar. Wenn dort gebaut werden soll, muss der Kampfmittelräumdienst (er ist inzwischen von der Bezirksregierung Detmold zum Regierungspräsidium Arnsberg verlegt worden) eingeschaltet werden, so zum Beispiel beim Bau des neuen Sportplatzes des VfL Schildesche am Halhof. Die Bombenräumung verschlang am Viadukt rund 1,6 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln ohne die Kosten des Kampfmittelräumdienstes. Nachdem die Engländer ihre Luftbild-Archive geöffnet hatten, begann1970 die systematische Räumung des Geländes. Aber es sind noch nicht alle Blindgänger gehoben.
Eine Stahlträgerkonstruktion dient nach dem Krieg als Dauerprovisorium für den Betrieb der Güterzugstrecke, während die Personenzüge weiterhin über die Gummibahn fahren, die kurz vor dem Viaduktam Hof Meyer zu Eissen abzweigt, die Talbrückenstraße kreuzt und am Stellwerk Brake die Hauptstrecke wieder erreicht. Erst 39 Jahre Später, im Oktober 1984, ist die Zeit der Stahlkonstruktionen vorbei und der Viadukt wieder vollständig hergestellt.
Außer der DVD-Produktion ist zum Thema das Buch von Axel Frick "Als in Schildesche die Erde bebte" im Heka-Verlag erschienen. Es ist im Bielefelder Buchhandel erhältlich.
Am Samstag, 22. März, laden der Sozialverband Jöllenbeck und der Gartenbauverein Jöllenbeck zu einem heimatgeschichtlichen Filmnachmittag ein. Ab 15 Uhr sind im CVJM-Haus Schwagerstraße die NW-Produktionen "Blumenpflücken während der Fahrt verboten – Erinnerungen an die Bielefelder Kreisbahnen" und "Als die Erde bebte – Die Zerstörung des Schildescher Viaduktes" zu sehen.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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