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Mindener Tageblatt ,
02.04.2004 :
Freimaurer weihen ihr altes Logenhaus ein / "Wittekind zur Westfälischen Pforte" übernimmt Haus Huss / Repräsentativer Adelshof mit langer Tradition
Von Jürgen Langenkämper
Minden (mt). Nach 70 Jahren kehrt die Mindener Freimaurerloge "Wittekind zur Westfälischen Pforte" an diesem Wochenende offiziell in ihr altes Logenhaus zurück. Das Haus Huss, einer der repräsentativen Adelshöfe in der Stadt, war bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Domizil der Loge gewesen.
Im Bewusstsein der jüngeren Mindener ist das Gebäude in der Pöttcherstraße als Stadtbibliothek bekannt. Denn nach dem Erwerb des Hauses durch die Stadt 1958 und einer umfassenden Sanierung Anfang der 60er- Jahre war die Bücherei hier 20 Jahre lang bis 1989 untergebracht.
Schon bei der Bestandsaufnahme 1959 hatte der Landeskonservator befunden, das palaisartige Herrenhaus sei "der wertvollste zweigeschossige Profanbau des 18. Jahrhunderts in Minden", es sei "unbedingt zu erhalten". Die eingeschossigen Wirtschaftsgebäude jedoch, die das Palais von der Pöttcherstraße trennten, durften abgerissen werden. Bis dahin hatte die Adresse auch Brüderstraße 22 gelautet.
Erbaut worden war das Gebäude 1719 durch den Regierungsrat Johann Helferich von Huss als Wohnhaus auf dem großen Hof Brüderstraße 20, von dem es erst 1775 anlässlich einer Versteigerung abgetrennt wurde. Zwischenzeitlich bewohnten Regierungspräsidenten den repräsentativen Bau, bis der wirkliche Staats- und Justizminister Freiherr von der Reck das Anwesen 1791 an den Regierungsrat Böhmer verkaufte.
1858 veräußerte die Witwe des Gerichtsrats Müller als Alleinerbin den Hof an die 1780 gegründete Freimauerloge "Wittekind zur Westfälischen Pforte", eine von drei Logen in der Stadt und nach Münster die zweitälteste in Westfalen. Sie hatte gerade eine große Krise durchlebt, die "auf Verlangen der Mutterloge aus formal- rechtlichen Gründen die Auflösung der inaktiven Loge" 1855 und deren fast sofortige Wiedergründung zur Folge hatte. Die Loge mietete zunächst das Obergeschoss an und kaufte drei Jahre später das gesamte Gebäude. Hier feierten die Freimaurer im November 1880 das 100-jährige Stiftungsfest ihrer Loge. Zum Jubiläum erhielten sie Glückwunschschreiben des Kaisers Wilhelm I. und des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, die auch Protektor und stellvertretender Protektor der Logen waren. 1905 schickte Wilhelm II. sein Bildnis mit eigenhändiger Unterschrift zum 125-jährigen Bestehen.
Zum 150-jährigen Stiftungsfest 1930 fiel der regierungsamtliche Segen bescheidener aus, und nur gut zwei Jahre später mussten die Freimaurer 1933 mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten auch in Minden ihre Arbeit einstellen. Das Verbot traf neben der Johannisloge "Wittekind zur Westfälischen Pforte", die der Großen National-Mutterloge "Zu den drei Weltkugeln" angehörte, auch die kleinere "Aurora", die zur "Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland" gehörte.
Die "Aurora" war fast zeitgleich ebenfalls 1780 in Minden gestiftet worden, nachdem einige Mitglieder zuvor "Brüder", so die Selbstbezeichnung der Freimaurer untereinander, in der Loge "Zum goldenen Löwen" im damals hessischen Rinteln gewesen waren. 1792 verlagerte sie jedoch ihren Sitz nach Bielefeld, das für viele Mitglieder günstiger lag. Ab 1801 wieder in Minden ansässig, zerbrach die "Aurora" 1806 mit dem preußischen Staat nach der Niederlage gegen Frankreich. Erst 1885 wurde die Loge reaktiviert, und zwar hauptsächlich durch Beamte, die in anderen Städten nach dem System der "Großen Landesloge" gearbeitet hatten und dann nach Minden versetzt worden waren.
1934 beschlagnahmte die NSDAP das Gebäude und vermietete es an den Luftschutzbund, der hier eine "Luftschutzhauptschule" einrichtete. Erst 1953 fiel das verfallene Anwesen an die 1946 aus den beiden Vorläufer neu gegründete Loge zurück. Da die Freimaurer ihr alten Logenhaus nicht aus eigener Kraft sanieren und erhalten konnten, kam es 1958 zum Verkauf für 50 000 Mark an die Stadt. Nach einem behelfsmäßig im "Grünen Wenzel" eingerichteten Tempel für ihre rituelle Arbeit fanden sie bis 1968 in der Bäckerstraße 61 und danach in der Prinzenstraße 3 eine neue Unterkunft.
Die Freimaurer nutzen das Obergeschoss ihres altes Logenhauses als Tempel und für regelmäßige Zusammenkünfte zum Gedankenaustausch. Im Erdgeschoss ist die Seniorenbegegnungsstätte "Oase" untergebracht.
Eine offizielle Einweihung mit Ehrengästen erfolgt am morgigen Samstag. Ein Tag der offenen Tür folgt in Kürze.
mt@mt-online.de
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