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Mindener Tageblatt ,
30.03.2004 :
Auf den Spuren jüdischer Mitmenschen / Neues Petershäger Jahrbuch gibt Einblicke in unbekanntes Kapitel der Stadtgeschichte / Fotos aus Privatsammlungen
Von Ulrich Westermann
Petershagen. "Alte Synagoge Petershagen. Menschen-Spuren-Wege" heißt der neue Themenband, der im Selbstverlag der Ortsheimatpflege erschienen ist.
Mit dem Buch, dem dreijährige Recherchen zu Grunde liegen, wird die Reihe der historischen Jahrbücher fortgesetzt. Band I aus dem Jahr 2002 hatte die Erzählung "In der Zeit des Schweigens" von Matthias Bronisch, der von 1950 bis 1956 Internatsschüler in Petershagen war, zum Inhalt.
Band II ist durch eine Kooperation zwischen der Ortsheimatpflege und der Abeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen entstanden, die die Veröffentlichung inhaltlich, konzeptionell und finanziell betreut hat. Bisher unveröffentliches Material wurde im Buchtext verarbeitet.
Die Herausgeber Wolfgang Battermann und Uwe Jacobsen treten auch als Autoren einiger Kapitel auf. "Wir danken den Autoren und Verlagshäusern für die Bereitstellung der Veröffentlichungsrechte", so Battermann und Jacobsen.
Zum Inhalt gehört eine Namensliste jüdischer Einwohner im Synagogenbezirk Petershagen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den einleitenden Text hat Prof. Dr. Arno Herzig (Hamburg) geschrieben.
Herzig stellt heraus, dass die Petershäger Geschichte von 1540 bis 1940 auch durch die jüdischen Einwohner geprägt worden ist. Er weist auf die restaurierte Synagoge und den Judenfriedhof als symbolträchtige Orte hin, die an die gemeinsame, bisweilen leidvolle Geschichte erinnern.
Weitere Themen des Buches sind Judenschicksale in einer kleinen Stadt, der Weg von zwei Überlebenden in Berichten und Dokumenten ("Weine nicht, Mutti, wir kommen ja wieder"), die ältesten Personenstandsregister der Juden in Westfalen (Petershagen) und jüdisches Kulturerbe. Am Beispiel der jüdischen Familie Oppenheim aus Petershagen wird der zusammenhängende Komplex zwischen systematischer Vertreibung, wirtschaftlicher Vernichtung und Ermordung im Konzentrationslager dargestellt.
Eine Liste der jüdischen Einwohner
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen haben einen Beitrag zur Revision und Entmythologisierung der bisherigen Darstellungen der Petershäger Pogromereignisse verfasst. Die Erstveröffentlichung der Liste der jüdischen Einwohner aus Petershagen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt mit Paul Adler (Ehemann von Hilde Berghausen aus Frille, 1939 nach Ecuador emigriert) und endet mit Wilhelm Wolf aus Quetzen (1941 nach Riga deportiert).
Jahrbuch in den Buchhandlungen
Einige der bisher unveröffentlichen Bilder stammen aus dem Bestand der Familie Scheurenberg und aus weiteren Privatsammlungen. Das mit großer Sorgfalt konzipierte Buch zeigt auf der Titelseite den Ostgiebel der zum Dokumentations- und Informationszentrum umgestalteten ehemaligen Synagoge an der Goebenstraße.
Weitere Aufnahmen zeigen jüdische Einwohnern aus Petershagen, die Synagoge vor und nach der Renovierung, den Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof und den stilisierten Thoraschrein in der ehemaligen Synagoge. Das historische Jahrbuch ist in den heimischen Buchhandlungen sowie über ISBN 3-8334-0795-6 erhältlich. Der finanzielle Erlös ist für die Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen bestimmt.
mt@mt-online.de
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