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Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische , 07.02.2008 :

Späte Ehre für einen Retter / Großvater des Lübbecker Zahnarztes Oliver Speyer erhält posthum Medaille

Von Kerstin Kornfeld

Lübbecke/Berlin. 23 Jahre nach seinem Tod ehrt die Zahnärztekammer Berlin ihr Mitglied Otto Berger. Der Dentist hatte einen jüdischen Kollegen vor der Gestapo versteckt und so vielleicht sein Leben gerettet. Stellvertretend für seinen Großvater nimmt Bergers Enkel Dr. Oliver Speyer, Zahnarzt am Lübbecker Niederwall, morgen die Ewald-Harndt-Medaille in Berlin entgegen. Seine Mutter und Vorgängerin in der Praxis, Dr. Ingeborg Speyer, war die Tochter Bergers.

Das Schicksal des deutsch-jüdischen Zahnarztes Fedor Bruck hat sein Enkel, der Historiker Kay Lutze aus Hilden, aufgezeichnet. Bruck wurde 1895 in Oberschlesien geboren. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg. Die Nazis verboten ihm ab 1933, als Schulzahnarzt zu praktizieren. Die Bevölkerung war zum Boykott jüdischer Ärzte aufgerufen.

1936 konnte Bruck seine Praxis in Liegnitz nicht mehr führen, er ging nach Berlin. Dort arbeitete er unter schwierigen Bedingungen weiter, bis 1939 allen jüdischen Zahnärzten die Approbation entzogen wurde. Sie durften als so genannte Zahnbehandler nur noch Juden und Familienangehörige versorgen.

1942 geriet auch Bruck in akute Lebensgefahr. Er erfuhr von seiner bevorstehenden Verschleppung durch die Gestapo und tauchte in den Untergrund ab. Dort lebte er bis 1945 in wechselnden Verstecken. Bei seiner Odyssee im Verborgenen half ihm vor allem der Dentist Otto Berger, der sich damit selbst in Gefahr brachte. Berger verschaffte seinem jüdischen Freund und Kollegen falsche Papiere. Er mietete zunächst ein Haus in Berlin-Zehlendorf, brachte ihn dann in seiner Wohnung im Stadtteil Steglitz unter, bis diese am 25. April 1945 ausgebombt wurde.

Nach dem Krieg wanderte Bruck in die USA aus, nannte sich Theodore A. Brook und starb 1982. Sein Name ist bekannt geworden, weil er Zeuge bei der Identifizierung von Hitlers Gebiss war.

Brucks Retter Berger wurde am 15. April 1900 in Oberschlesien geboren. Er praktizierte als Dentist und Zahnarzt in Berlin. Erst 19 Jahre nach Kriegsende wurde er 1964 offiziell vom Berliner Senat wegen seines Einsatzes für Verfolgte des NS-Regimes geehrt. 1974 gab er seinen Beruf auf und zog nach Darmstadt, am 22. Mai 1985 starb er.

Otto Bergers Familie wusste von seinem Mut und seinem Engagement. "Aber mein Großvater hat nie viel darüber gesprochen", erzählt Oliver Speyer. Morgen nimmt er an seiner Stelle posthum die Ehrung während des Zahnärztetages entgegen. Die Ewald-Harndt-Medaille, nach einem Zahnmedizin-Professor benannt, ist eine Auszeichnung, die seit 2001 ausschließlich an Zahnärzte geht.

Bildunterschrift: Mutig: Otto Berger setzte sich für Verfolgte des Nazi-Regimes ein.

Bildunterschrift: Verfolgt: Fedor Bruck entkam in Berlin nur knapp der Gestapo.

Bildunterschrift: An Stelle seines Großvaters: Der Lübbecker Zahnarzt Oliver Speyer nimmt morgen die Ehrung entgegen.


lok-red.luebbecke@neue-westfaelische.de

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