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Lippische Landes-Zeitung , 12.11.1992 :

Ausstellung zeigt Verfolgungen in Lippe auf / Auch hornsche Bürger hetzten auf die Juden

Horn-Bad Meinberg (co). Die erste Besucheransammlung war klein, aber sehr beindruckt. Zur Eröffnung hielt Dina von Faassen, die mit Jürgen Hartmann die historische Dokumentation vorbereitet hatte, gestern einen Vortrag, der die Verfolgung der Juden in Lippe aufzeigte. Die
Ausstellung " ... dennoch Menschen von Gott erschaffen. - Die jüdische Minderheit in Lippe von den Anfängen bis zur Verfolgung" ist noch bis zum 4. Dezember in der Burgscheune zu sehen.

Der Termin der Ausstellung sei kein zufälliger, sagte Bürgermeister Bernd Richtsmeier und wies auf den 9. November 1938 hin. Er meinte in der Rückschau auf die Ereignisse der "Reichskristallnacht": "Wir stehen bestürzt und erschüttert da - Wie kommt ein Volk nur zu so menschenverachtenden Tätigkeiten?" Seiner Einschätzung nach hätten die Ereignisse nur geschehen können durch "stillschweigende Duldung" von einzelnen. Es gebe keinen Ausweg, die Schuld anderen zuzuweisen. Der Bürgermeister wies auf das Grab der Julie Hirschfeld auf dem Horner Judenfriedhof hin, dessen Sterbedatum auf eine enge Verbindung zu der Synagogenbrandnacht wahrscheinlich erscheinen lasse und damit Zeugnis für den Nationalsozialismus vor Ort sei.

Der Ausstellungstitel, so erklärte Dina von Faassen, stamme aus einer Bittschrift der Judenschaft, die sie nach der ersten landesweiten Vertreibung aus Lippe im März 1614 an Graf Simon VII gerichtet hatte. "Das Leben der Juden, die sich nach der Mitte des 17. Jahrhunderts wieder in Lippe ansiedeln durften, wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein durch das Schutzsystem bestimmt", so die Rednerin. Nur der käuflich zu erwerbende Schutzbrief gestattete die Ausübung eines Gewerbes. In Horn beispielsweise war Juden die Anlegung offener Läden bis Mitte des 19. Jahrhunderts verboten, vor allem die Metzgerzunft sei bestrebt gewesen, die Konkurrenz jüdischer Schlachter in Schranken zu halten. Armut sei auf Grund der beschränkten Erwerbsmöglichkeiten ein stets präsentes Problem gewesen.

Horn bildete mit 14 Familien 1768 die zweitgrößte jüdische Gemeinde Lippes. Die Stadt war durch die Synagoge und den Friedhof von Bedeutung für die in der Umgebung wohnenden Juden. 1781/83 entwickelte Christian Wilhelm Dohm ein Konzept zur Entwicklung der Judenemanzipation und Eingliederung in die christliche Gesellschaft. Doch stieß dies zunächst auf Ablehnung. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich jedoch die lippische Judenschaft in die Gesellschaft integriert, was nach Einschätzung von Dina von Faassen in hohem Maße dem Schulwesen zuzuschreiben sei.

Ende des 19. Jahrhunderts war in Lippe schon ein latenter Antisemitismus vorhanden. Existenznöte, Entbehrungen und Bedrohung waren nach dem ersten Weltkrieg der Nährboden dafür. In Horn hetzten Bürger im Jungdeutschen Orden gegen ihre jüdischen Mitbürger. Beim Höhepunkt des Antisemitismus, während der Pogromnacht, wurden Fenster und Inventar der jüdischen Synagoge zerstört. Horner Juden wie Willi Blumenthal und Max Sondermann wurden in Konzentrationslager abtransportiert und starben zum Teil.


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