Höxtersche Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
17.12.2007 :
Zeichen gegen das Vergessen / Zwei Stolpersteine erinnern an Ernst Möse und Bernhard Disse
Von Josef Köhne
Höxter. "Mit dem Setzen dieser beiden Stolpersteine gehört die Stadt Höxter zu den wenigen Kommunen innerhalb der Bundesrepublik, in der auf diese nachhaltige Weise an jedes bekannt gewordene Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird", sagt Karl-Heinz Kraft am Samstagmorgen inmitten einer kleinen Runde, die aufmerksam das Tun des Künstlers Gunter Demnig verfolgt.
Gemeinsam mit seiner Ehefrau Susanne hatte der in Höxter praktizierende Tierarzt vor einigen Jahren den Anstoß zu der weithin beachteten Aktion gegeben, in deren Folge nun dauerhaft an alle Bürger der Stadt Höxter erinnert wird, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus niedrigsten Beweggründen gequält und getötet wurden. Erinnerten die zuvor gesetzten Steine ausschließlich an Menschen, die wegen ihrer jüdischen Abstammung ermordet wurden, rufen die beiden jeweils 100 Quadratzentimeter großen Messingplatten der neu hinzugekommenen Stolpersteine die Namen zweier Höxteraner ins Gedächtnis, die aufgrund ihrer Geisteshaltung denunziert, verhaftet und schließlich ermordet wurden.
Einer von ihnen ist der Milchhändler Ernst Möse, der 1940 wegen des Abhörens ausländischer Sender, seiner staatsfeindlichen Reden und wegen "staatsfeindlichen Verhaltens" (er kaufte bei Juden) verhaftet und von einem Sondergericht zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte inhaftiert, verhungerte der sich den Nazis beständig verweigernde Molkereifachmann in einem Außenlager bei Bergen-Belsen. An den 1945 Verstorbenen erinnert der Stolperstein vor dem Haus in der Papenstraße Nr. 2.
Der zweite Stolperstein, den der Künstler Gunter Demnig am Samstagmorgen in der Corveyer Allee Nr. 10 in den Straßenasphalt implantierte, erinnert an den Wirt des Braunschweiger Hofes. Den Aufzeichnungen zufolge wurde Bernhard Disse, der selbst dem so genannten Volkssturm angehörte, bei der Wehrmachtskommandantur denunziert, als er den an einer Panzersperre an der Ortsausfahrt Richtung Godelheim Dienst tuenden Soldaten riet, vor den anrückenden amerikanischen Streitkräften zu flüchten. Disse wurde noch am selben Tag abgeurteilt und erschossen.
Bildunterschrift: Gedanken: "Der Vater würde sich über dieses Zeichen freuen", wissen die Enkel des von den Nationalsozialisten ermordeten Ernst Möse, denn auch er war den Schikanen der braunen Horden ausgesetzt. Bevor der Stein vom Künstler in das Straßenpflaster eingesetzt wird, hält die Familie ihn noch einmal in der Hand. Vorne (v. l.): Die Enkelinnen Andrea Heimann und Gabi Schwarz sowie Enkel Thomas Knopf mit Lebensgefährtin Gabi Senft. Dahinter: Andreas Ehemann Wolfgang Heimann und die Freundin der Familie Möse, Rita Wöstefeld.
Bildunterschrift: Erinnerungen: Interessiert schaut die 81-jährige Josephine Grewe dem Künstler Gunter Demnig über die Schulter. Ihr verstorbener Ehemann Hermann war ein Neffe des ermordeten Bernhard Disse und wie dieser Wirt im Braunschweiger Hof.
Bildunterschrift: "Wir sollten uns an das erinnern, was damals wirklich passiert ist und nicht nur an das, was wir als Jugendliche selbst erleben. Das Wissen um die Vergangenheit darf nicht verloren gehen. Dazu trägt der Stolperstein bei." Thomas Leineweber, 21 Jahre.
Bildunterschrift: "Rechtsradikale Sprüche finde ich nicht gut. Wir sind alle Menschen. Daran erinnern auch die Stolpersteine." Johanna Leineweber, 13 Jahre. Sie gehörte mit ihrem Bruder Thomas zu den jüngsten Teilnehmern.
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