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WebWecker Bielefeld , 24.03.2004 :

Protest gegen Abschiebungen

Am vergangenen Donnerstag protestierten etwa zwei Dutzend Menschen in der Bielefelder Bürgerberatung gegen die Abschiebung von Roma in den Kosovo. Die aktuelle Entwicklung dort lässt die noch fragwürdiger erscheinen.

Von Mario A. Sarcletti

Am vergangenen Wochenende beschloss nach Italien und den USA auch die Bundesrepublik ihre Truppen im Rahmen des UN-Einsatzes im Kosovo aufzustocken. Grund waren die Unruhen in der Region, bei denen mehr als dreißig Menschen starben und Kirchen, Moscheen und Wohnhäuser niedergebrannt wurden. Die Ereignisse zeigen, dass das Kosovo noch weit von einem friedlichen Zusammenleben der Volksgruppen entfernt ist. Dennoch starten seit vergangenem Juni jeden zweiten Donnerstag Flugzeuge vom Flughafen Düsseldorf in die Provinzhauptstadt Pristina, um Menschen in die Region abzuschieben, aus der sie vor Jahren vor dem Bürgerkrieg nach Nordrhein-Westfalen flüchten konnten.

Auch fünf Familien aus Bielefeld, die seit 14 Jahren hier leben, wurden von der Bielefelder Ausländerbehörde für die Flüge angemeldet. Sie sollen in eine "Heimat" abgeschoben werden, die die Kinder kaum kennen. Seit der Aufnahme der Abschiebeflüge mussten die Betroffenen bereits zwanzig Mal befürchten, abgeholt und abgeschoben zu werden. Sie gehören der ethnischen Minderheit der Ashkali an, einer Romagruppe (WebWecker berichtete). Die Roma sind im Kosovo der Verfolgung durch die albanische Mehrheit ausgesetzt, die meisten leben in slumähnlichen Enklaven. Um auf die Situation der in Bielefeld lebenden Ashkali aufmerksam zu machen, demonstrierten am vergangenen Donnerstag um 13.30 Uhr, als wieder ein Flugzeug nach Pristina starten sollte, etwa zwei Dutzend Menschen von der "Kampagne gegen Abschiebung – Roma und Ashkali bleiben hier (KARABH)" in der Bielefelder Bürgerberatung vor dem Büro von Amtsleiter Rolf Gieselmann.

Der fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: "Das ist keine Entscheidung der Stadt, ob jemand in den Kosovo abgeschoben wird. Die Innenministerkonferenz entscheidet, ob Menschen rückgeführt werden können", beschreibt Gieselmann die Rechtslage. Und die ist das, was für die Behörde zählt: "Die Verwaltung muss nach Recht und Gesetz agieren", so Rolf Gieselmann. Seine persönlichen Empfindungen seien dabei zweitrangig, entgegnet er auf die Frage, wie auf ihn persönlich die Fernsehbilder von den Unruhen wirken und wie es für ihn wäre, wenn er wüsste, dass Abgeschobene unter den Opfern der Ausschreitungen wären.

"Das Flugblatt ist nicht besonders sachlich dargestellt", kritisiert Gieselmann KARABH. In dem Text heißt es auch, dass er im vergangenen Jahr gesagt habe, dass "er davon ausgeht, dass kein Roma in Bielefeld ein Aufenthaltsrecht bekommen wird". Er habe im vergangenen Jahr nur gesagt, dass die etwa 15.000 in Nordrhein-Westfalen lebenden Roma aus dem Kosovo in absehbarer Zeit kein Aufenthaltsrecht erhalten werden. "Ich habe nie gesagt, dass das nie passieren wird", verteidigt sich Gieselmann.

Zudem seien zumindest in den vergangenen zwei Jahren keine Menschen aus Bielefeld in den Kosovo abgeschoben worden, erklärt Rolf Gieselmann. Dass der Flug am vergangenen Donnerstag auf Grund der Ereignisse in Mitrovica abgesagt wurde, findet er nachvollziehbar. "Dass man derzeit keine Rückführungen durchführt, versteht sich von selbst", so seine Bewertung der aktuellen Lage im Kosovo. Zu den "Rückführungsmaßnahmen" gibt es für ihn aber keine Alternative. "Die Staatengemeinschaft kann es grundsätzlich nicht hinnehmen, dass Menschen, die da gelebt haben, da nicht mehr leben können", findet Gieselmann. Deshalb versuche die internationale Gemeinschaft den Konflikt zu entschärfen.

"Die Unruhen richten sich auch vor allem gegen Serben", sieht er Roma nicht im Fokus der Ausschreitungen. Eine Einschätzung, die auch die meisten Journalisten teilen, die aus dem Krisengebiet berichten. "Das ist das Interessante, dass in der Medienberichterstattung nur die Serben thematisiert werden", bemerkt dazu Elisabeth Reinhard von KARABH. "Die radikalen Albaner gehen da sehr taktisch vor", beschreibt sie ihren Eindruck. Die aktuellen Unruhen sollten vor allem die Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützen, die Rede des jugoslawischen Ministerpräsidenten Kostunica zu seinem Amtsantritt sei ein Auslöser gewesen. In der hatte er eine Einteilung des Kosovo in Kantone unter serbischer Kontrolle gefordert, die von den Albanern geforderte Unabhängigkeit würde damit in weite Ferne rücken.

Aber auch wenn sich die Ausschreitungen zur Zeit nur gegen Serben richten, sieht Elisabeth Reinhard alle Minderheiten im Kosovo im Gefahr. Und zwischen Roma und Ashkali würde der Bielefelder Flüchtlingsrat im Gegensatz zu den Ausländerbehörden keine Unterscheidung treffen. "Wir hätten das so nicht gemacht", so Reinhard. Dass Ashkali nach Meinung der Innenminister eine eigene Volksgruppe bildeten, weil sie "hellhäutiger" als Roma seien, findet sie rassistisch. "Nach Meinung der Ausländerbehörden sind Ashkali nicht so gefährdet, weil man nicht sieht, dass sie Roma sind", beschreibt Reinhard den Hintergrund der behördlichen Kategorisierung. "Sie gelten als assimilierte Roma, aber von den Albanern werden sie nicht akzeptiert", beschreibt Reinhard, dass für UCK-Sympathisanten die bundesdeutsche Einteilung nicht zählt.

Dass die UN-Verwaltung im Kosovo sich immer wieder weigert, Menschen im Kosovo aufzunehmen, die die Bundesrepublik abschieben möchte, sieht Rolf Gieselmann entspannt. Dann würde die UNMIK eben Widerspruch einlegen. Elisabeth Reinhard beurteilt die Tatsache drastischer, dass sich die Innenministerkonferenz und deutsche Ausländerbehörden über die Einschätzung der Vereinten Nationen hinwegsetzen: "Die Schwäche der UNO ist schon erschreckend", findet sie und wundert sich: "Ich finde es erstaunlich, dass das niemand thematisiert."

Tatsächlich war es für die meisten Medien kein Thema, dass im vergangenen August eine 61-jährige Ashkali aus Minden gegen den Willen der UNMIK zur Not über Montenegro in das Kosovo abgeschoben werden sollte. (WebWecker berichtete). Im selben Monat verhinderte die UNO die Abschiebung einer Familie aus Werther, da sie deren Herkunftsort als unsicher einstufte. Dass sie damit nicht unrecht hatte, zeigt die aktuelle Entwicklung. Der Ort heißt Mitrovica.

Die Flüge sind jetzt bis auf weiteres ausgesetzt, die Donnerstagsproteste am 1. April um 13.30 Uhr, der üblichen Startzeit der Flugzeuge, sollen dennoch stattfinden. "Wir wollen erreichen, dass die Abschiebungen nicht wieder aufgenommen werden", erklärt Elisabeth Reinhard das Ziel der Proteste. Dafür sollen die sorgen, die dafür verantwortlich sind, dass Roma und Ashkali nicht hier bleiben dürfen: Die Innenminister.

Auch wenn sich die Störungen in der Bürgerberatung am vergangenen Donnerstag auf Grund ihrer kurzen Dauer nach Angaben von Rolf Gieselmann in Grenzen hielten, freut er sich nicht über die angekündigten Proteste in seinem Amt: "Es ist kein geeigneter Ort für eine Demonstration, bei der mit Megaphon Reden gehalten werden", so Gieselmann. Wie die Bürgerberatung auf künftige Proteste reagieren werde, könne er noch nicht sagen. "Das kommt auf das Ausmaß an. Aber sie müssen sehen, dass hier Menschen arbeiten und Bürger Angelegenheiten erledigen wollen." Die Protestierenden müssten bedenken, dass bei Protesten in Gebäuden jemand Hausherr ist und von seinem Hausrecht Gebrauch machen könne. So wie die Innenminister eben Hausrecht in Deutschland haben.


webwecker@aulbi.de

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