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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
22.03.2004 :
Jahrestag verstrich nicht unbemerkt / Auch in Paderborn erneuerte die Friedensinitiative ihre Kritik am Irak-Krieg
Von Ellen Krause
Paderborn. Mit einer Kundgebung vor der Franziskanerkirche hat die Paderborner "Initiative gegen den Krieg" am Samstag an den Beginn des US-Blitzfeldzuges gegen den Irak vor einem Jahr erinnert. Damit gehörte die Paderstadt zu den zahlreichen Städten überall auf der Welt - 200 allein in Deutschland - in denen an diesem "Internationalen Aktionstag gegen den Krieg" Protest-Veranstaltungen stattfanden.
"Die soziale Lage ist schlecht. Viele Menschen müssen mit 60 Dollar pro Monat auskommen, und die Arbeitslosenquote liegt bei bis zu 65 Prozent", beschrieb Hartmut Linne von der Initiative bei strömendem Regen und mit einstündiger Verspätung in der Westernstraße die aktuellen Zustände im Irak. Die geplante Kunstaktion musste wegen des schlechten Wetters ausfallen.
Liste mit 200 irakischen Staatsbetrieben
Die Bevölkerung habe die US-Truppen von Anfang an mit wenig Begeisterung empfangen, so Linne. Der Ärger über die Zerstörung im Land sei groß, und der Mangel an Respekt gegenüber der einheimischen Bevölkerung sorge für Unmut. Demonstrationen gegen die Besatzer würden oft mit strengen Sanktionen vergolten, um die Menschen einzuschüchtern. Der Ruf, dass die Truppen weg sollten aus einem Land, wo sie nichts zu suchen hätten, würde immer lauter – auch in den USA selbst. Zudem herrsche Angst vor der Aneignung der Ressourcen durch ausländische Firmen. Es gebe bereits eine Liste mit fast 200 irakischen Staatsbetrieben, die ins Ausland verkauft werden sollen.
Gastredner Thomas Schroedter verwies auf die vielen Toten: Mindestens 5.000 Irakis und 171 alliierte Soldaten seien bis zum offiziellen Kriegsende ums Leben gekommen. Seitdem seien über 400 weitere US-Soldaten getötet worden, und jeden Monat verlören 400 Irakis ihr Leben durch Anschläge, Überfälle oder Raubmord.
"Die Folgen des Krieges sind die Zerstörung der Infrastruktur der entsprechenden Länder auf lange Sicht. Um die Ölquellen herum werden industrialisierte Inseln aufgebaut, während der Rest des Landes arm bleiben wird", erklärte der langjährige Friedensaktivist mit Verweis auf das Beispiel Angola. "Was für die europäischen und US-amerikanischen Konzerne interessant ist, wird gefördert, der Rest des Landes wird sich selbst überlassen, wodurch oft Folgekriege wie Bürgerkriege entstehen."
Gleichzeitig warnte Schroedter vor der von Bundeskanzler Schröder befürworteten 18.000 Mann starken deutschen Beteiligung an einer EU-Interventionstruppe: "Wenn wir immer nur in die USA schauen, wenn es darum geht, Militarisierung anzuprangern, aber nicht sehen, was vor unserer eigenen Haustüre passiert, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn bei Kriegseinsätzen Bundeswehr und EU-Interventionseinheiten unter eigener Regie bald mit den US-Marines um die Wette ballern. Mal unter gemeinsamer durch UN-Beschlüsse genehmigter Führung, mal unter getrennt selbsternannter Führung, gerade wo es den Interessen der Herrschenden in jeweiligen Staat gefällt. Eine militärische Interventionsmacht der EU, die gemeinsam mit den US-Streitkräften, unabhängig von ihnen oder sogar in Konkurrenz zu den USA operiert, ist nicht Teil einer Lösung globaler Probleme, sondern ein Teil des Problems." Das Geld für die Truppen solle lieber in die Friedensforschung investiert werden, anstatt – wie in NRW geschehen – die Mittel um ein Drittel zu kürzen.
Kriege zur Sicherung des eigenen Systems
Die "Initiative gegen den Krieg" wurde beim Angriff auf Afghanistan im Oktober 2001 gegründet und besteht aus einem Kern von etwa zehn Paderbornern zwischen 25 und 55 Jahren. "Ich kann es nicht akzeptieren, dass wegen irgendwelcher Interessen Kriege geführt und Menschen ermordet werden", begründet Gründungsmitglied Linne sein Engagement. Hintergrund für die Kriege seien oft politische oder ökonomische Interessen der westlichen Staaten. "Das Wirtschaftssystem beruht oft auf der Ausbeutung von vielen Menschen in der Dritten Welt und auch hier in den Metropolen. Und zur Sicherung des Systems werden Kriege eingesetzt."
"Der Krieg war völkerrechtswidrig, es gab keine Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat, und die USA sind auch nicht angegriffen worden", erinnerte Linne. So einen Präventionskrieg habe es bislang nicht gegeben. Um ihn durchzudrücken, hätten die USA und die "Koalition der Willigen" die Gefahr durch Massenvernichtungswaffen angeführt. "Inzwischen ist klar: Es gab keine. Aber 19.000 Menschen sind bei diesem Krieg getötet worden."
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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