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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
20.03.2004 :
Kassiert und verspielt / 14-monatige Bewährungsstrafe für Ausländeramts-Mitarbeiter
Paderborn (JS). Eine schwere Last dürfte gestern Nachmittag Anton E. vom Herzen gefallen sein. Der ehemalige Angestellte des städtischen Ausländeramtes, dem die Staatsanwaltschaft Gebührenüberhöhung, Untreue und Unterschlagung vorwarf, wurde vom Paderborner Schöffengericht zwar zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Doch für Anton E. bedeutet dieser Spruch letztlich das Ende einer belastenden Lebenskrise.
Spielsucht hatte Anton E. stark unter Druck gesetzt. Ab Januar 2002 kassierte er widerrechtlich Gebühren für die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen. "Gelegenheit macht Diebe", kennzeichnete Amtsrichter Günter Köhne die prekäre Situation des Angeklagten. Zwischen 15 und 100 Euro nahm der 59-Jährige Kunden des Amtes ab. Kleine Summen, die er in Mittagspausen an Automaten verspielte.
"Ich habe erkannte, dass ich zu spät fachliche Hilfe in Anspruch genommen habe", stellte er gestern nachdenklich fest. Insgesamt 49 Fälle gestand Anton E. ein. Die Staatsanwaltschaft war in ihrer Anklage von 21 weiteren Vorwürfen ausgegangen, die allerdings im Verlauf des Prozesses vor dem Schöffengericht als "strittig" eingestuft und somit eingestellt wurden.
Schon zu Verhandlungsbeginn erhob Verteidiger Detlev Stoffels harte Vorwürfe gegen die Ermittler im Fall Anton E.. Just nachdem die Verdächtigungen ruchbar geworden waren, seien am 14. Januar 2002 Staatsanwälte, städtische Amtsträger und Polizisten gleich zu acht in das "winzige Dienstzimmer" seines Mandanten eingedrungen, so Stoffels. Ohne Umschweife habe einer der anwesenden Staatsanwälte Anton E. mit den Beschuldigungen und der Suspendierung konfrontiert.
Eine Vernehmungsmethode, die verboten ist
Sogleich sei man dann unter der Maßgabe "Sagen Sie die Wahrheit", aber ohne rechtmäßige Belehrung, zur Vernehmung geschritten, berichtete der Strafverteidiger. Das sei eine Vernehmungsmethode, die verboten ist, empörte er sich.
Vor allem im Hinblick auf die damalige Befindlichkeit des ehemals hochverdienten Angestellten machte Detlev Stoffels aus seinem Herzen keine Mördergrube. Anton E. sei 41 Jahre lang bei der Stadt beschäftigt gewesen. Dass er spielsüchtig sei, sei bekannt gewesen, fasste der Verteidiger zusammen.
Und so hätten das Vorgehen und die Vorwürfe an jenem 14. Januar 2002 nur einen Schock auslösen können. "Das hätte der Staatsanwalt erkennen können und müssen", meinte Stoffels. Sein Mandant habe so eben nicht frei über seine Aussage entscheiden können.
Der Verteidiger säumte auch nicht zu erwähnen, dass bei den späteren Ermittlungen die Akten und Kassenbücher des Sozialamtes gar nicht oder nur unzureichend hinzugezogen wurden. "Das ist nicht nachvollziehbar", bilanzierte Detlev Stoffels. Man habe sich ganz auf die Berichte des Prüfungamtes verlassen, das über Jahre hinweg die Abrechnungen des Angeklagten nicht beanstandet hatte.
An seinen Arbeitsplatz wird der 59-Jährige nicht zurückkehren. Bis zum 31. März ist der Paderborner gemäß einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich suspendiert, dann scheidet er endgültig aus dem Dienst der Stadt.
Anton E. wird sich in einer Selbsthilfegruppe engagieren
Anton E. leistete umgehend nach dem Auffliegen seiner suchtbedingten Machenschaften Wiedergutmachung. Mit 2.450 Euro beglich er den entstandenen Schaden. Zudem muss er, so die Auflage des Schöffengerichts, 500 Euro an die Paderborner Suchtkrankenhilfe zahlen. Doch dabei will es Anton E. nicht belassen. Künftig wird er sich in einer Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige engagieren.
20./21.03.2004
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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