Neue Westfälische ,
19.11.2007 :
Dirndl, Loden, Edelweiß / Ausstellung im Jüdischen Museum München erinnert an die Wallach-Brüder
Von Marion Pokorra-Brockschmidt
Rheda-Wiedenbrück. Als Wolfgang Lewe von der Ausstellung "Dirndl, Truhen, Edelweiß – Die Volkskunst der Brüder Wallach" im Jüdischen Museum München hörte, schaltete er sofort. Den Namen Wallach kennt er von seinen Forschungen für den Heimatverein Rheda – mit Trachtenmode hatte er die jüdische Familie bislang allerdings nicht in Verbindung gebracht.
Doch zählen die Gründer des Volkskunsthauses zu den Initiatoren einer Volkskunstmode. "Mit ihren Verkaufsräumen und dem angeschlossenen Volkskunstmuseum wurde Wallach zum Synonym bayerischen Wohn- und Kleidungsstils", heißt es auf der Homepage des Jüdischen Museums.
Mit dem Vorsitzenden des Heimatvereins Rheda, Jürgen Kindler, machte sich Lewe auf die Suche. So stieß er auf die Chronik der Familie Wallach, die im Leo-Baeck-Institut New York verwahrt wird. Die berichtet von Joshua Wallach, dem der Rhedaer Graf Moritz Casimir 1770 erlaubte, im Schlossgarten einen Rundtempel als jüdisches Gebetshaus zu errichten.
Joshuas Sohn Abraham mietete 1801 nach einer Zusatzzahlung von 50 Reichstalern für 40 Reichstaler jährlich eine Wohnung im für Juden errichteten Langen Jammer. Abraham war Vater der Söhne Heinemann (1804) und Moses (1806). Letzterer zog 1820 als Posthalter nach Wiedenbrück. Aus Heinemanns Ehe gingen die Söhne Julius und Heinemann hervor. Nach seiner Heirat mit Julie Zunsheim 1870 zog es den Getreidehändler Heinemann nach Bielefeld, wo er mit seiner Frau Julie zehn Kinder großzog – auch Julius (1874 bis 1965), Moritz (1879 bis 1964) und Max (1875 bis vermutlich 1943). Julius liebte alte Bauernkunst – eine Leidenschaft, die Ferienaufenthalte bei seinem Onkel in Wiedenbrück begründeten. Als Kaufmann suchte er später nach echtem Volkstum – und kam nach München. Er war im Alpenverein aktiv und ein begeisterter Trachtler. Am 9. November 1900 gründete er das "Fachgeschäft für Landestrachten". Bruder Moritz, Kaufmann und Dekorateur, stieg ins Geschäft ein.
Volkskunst-Mode: Trachten salonfähig gemacht
Damals war es chic, Dirndl in der Sommerfrische zu tragen – salonfähig aber machten Trachten erst die Brüder Wallach. Für die Gattin des Prinzen Joachim von Preußen entwarfen sie ein festliches Dirndl aus Seide, "das auf einem Ball in Paris Aufsehen erregte und Wallach international bekannt machte", so der Katalog zur Ausstellung.
Zwar machten auch Veranstaltungen wie Trachtenschauen zur Faschingszeit die Mode der Wallachs populär, doch einen Marketing-Clou landete das Unternehmen 1910. Zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfestes kostümierten die Brüder unentgeltlich den historischen Landestrachtenzug. Geehrt wurde Julius Wallach dafür mit dem Titel "Königlicher Hoflieferant".
Der Erfolgsgeschichte des Trachtenunternehmens folgten weitere Kapitel: die Ausstattung von Operninszenierungen; die Gründung der Wallach-Werkstätten unter der Leitung von Max in Dachau; die Eröffnung des Volkskunsthauses. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten wirkte sich zunächst nicht aufs Geschäft aus. Auch Adolf Hitler und Hermann Göring sollen die Wallach-Erzeugnisse gefallen haben. Doch 1937 begann die sogenannte Arisierung. Die Reichskammer der bildenden Künste sprach Max Ende 1937 wegen seines jüdischen Glaubens "die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit ab, an der Förderung deutscher Kultur in Verantwortung gegenüber Volk und Reich mitzuwirken", zitiert der Ausstellungskatalog.
Unter Druck gesetzt, gab Moritz sein Geschäft zu einer erpresserisch niedrigen Kaufsumme ab. Ende März 1939 emigrierte er nach Amerika. Auch Julius Wallach gab dem Druck nach. Er verkaufte 1938. Es folgten Jahre der Flucht durch Europa, bis auch er in den USA landete. Max wurde enteignet und am 11. November 1938 mit seiner Familie vertrieben. Bis etwa 1940 lebten er und seine Frau bei Verwandten in Paderborn. Trotz intensiver Bemühungen schafften sie es nicht, aus Nazi-Deutschland zu fliehen. Max und Melly Wallach wurden ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und ermordet.
Die Ausstellung ist noch bis zum 30. Dezember zu sehen.
www.juedisches-museum.muenchen.de
Bildunterschrift: In der Sommerfrische: Moritz (r.) und Julius Wallach (kniend), die Gründer des Fachgeschäfts für Landestrachten, trugen selbst Lederhose und Filzhut und Kniebundhose und Lodenjacke. Das Foto, eine Atelieraufnahme um 1900, zeigt sie mit ihrer Mutter Julie (l.) und den Geschwistern Else und Adolf.
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