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Mindener Tageblatt, ,
20.03.2004 :
"Ich verurteile den Terrorismus" / Türkische Gemeinde hat neuen Imam / Mustafa Mazlum bezieht Stellung zu radikalen Islamisten
Von Serhat Ünaldi
Minden (mt). Für einen Imam ist es eine Ehre, den islamischen Glauben im Ausland lehren zu können. Mustafa Mazlum (42) hat diese Chance beim Schopfe gepackt. Seit kurzem ist er das religiöse Oberhaupt der Türken in Minden. "Ich grüße alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt", sagt er zum Einstand.
Der 42-Jährige Familienvater löst Imam Rafet Bülbül ab, der fünf Jahre Vorbeter und Ansprechpartner der Mindener Türken war. Bülbül musste aufgrund geänderter Gesetze frühzeitig zurück in sein Heimatland. Bis ein neuer Langzeit- Imam gefunden ist, überbrückt Mazlum die Zeit. Ein knappes Jahr bleibt er in Minden.
Vor zwei Wochen landete der neue Imam in Deutschland - ohne zu wissen, in welche Stadt er kommt. "Ich wusste, es ist irgendwo in der Nähe von Münster. Dass ich nach Minden komme, wurde mir bei meiner Ankunft gesagt", so Mazlum.
Einerseits habe er sich auf die neue Herausforderung gefreut, andererseits sei es schwer für ihn, seine drei Töchter Meryem (19), Merve (15) und Tuba (4), seinen Sohn Ömer Faruk (11) und seine Frau Hatice im türkischen Eskisehir, westlich von Ankara, zurückzulassen. Dort ist er seit 1984 als Imam tätig.
Geboren wurde er in der Marmara-Region nahe der Stadt Bilecik im Dorf Sögüt. Nach der fünften Klasse schickten ihn seine Eltern zur Imam-Schule, wo er sieben Jahre später seinen Abschluss machte um anschließend vier Jahre zu studieren.
"Imame haben von der Geburt bis zum Tod eine große Bedeutung für Moslems", erklärt der 42-Jährige. "Ähnlich wie Pfarrer segnen sie Babys und taufen es auf den jeweiligen Namen. Der Imam bietet Hilfestellung bei Glaubensfragen und ist Vorbeter in der Moschee." Imame sähen sich in der Tradition des Propheten Mohammed, der ebenfalls vorgebetet hat.
Das gemeinschaftliche Gebet sei im Islam sehr wichtig. "Es verschafft dem Gläubigen 25 ,Pluspunkte’ bei Allah. Wer alleine betet, der bekommt nur einen Pluspunkt, um seine Sünden auszugleichen", übersetzt Durmus Aksoy, Vorsitzender des türkisch-islamischen Kulturvereins. In der Gemeinschaft werde das Gebet von Gott besser gehört und dadurch eher akzeptiert.
Seine Aufgabe in Minden sieht Mazlum auch darin, in den Dialog mit Christen und Juden zu treten und der Skepsis der Deutschen zu begegnen. Zum islamischen Extremismus stellt er daher klar: "Mein Glauben bedeutet Frieden, denn der Islam verbietet Gewalt. Die Minderheit, die den Terror unterstützt, hat nichts mit der Religion zu tun. In keiner Sure des Korans ist ein Satz zu finden, der Gewalt erlaubt", so der Imam.
Und: "Terroranschläge wie der von Madrid machen mich traurig. Es ist schlimm, das Unschuldige immer wieder Opfer werden. Ich verurteile das Handeln dieser Leute."
Auch zur Kopftuch-Frage hat er eine klare Meinung: "Frauen sind in unserem Glauben hoch angesehen. Bevor es den Islam gab, hatten sie in unseren Breitengraden viel weniger Freiheiten." Außerdem stehe im Islam zwar, dass sich Frauen bedecken sollten, aber das müsse freier Wille bleiben. "Das ist wie mit dem Alkohol. Wer als Moslem Alkohol trinkt, wird nicht vom Glauben ausgeschlossen. Auch bei Frauen ohne Kopftuch zählt nur eins: Der Glaube."
Zum engen Verhältnis des Christentums mit dem Islam zitiert der Imam eine Stelle aus dem Koran: "In Sure fünf, Vers 82 sagt Allah, dass die Christen den Moslems am nächsten sind."
Bereits in seinem ersten Freitagsgebet habe er der Gemeinde erklärt, er wolle die gute Nachbarschaft zu Christen und Juden fortführen. Die ensprechenden Bestrebungen des Imam Bülbül wolle er fortsetzen.
Dafür will er unbedingt auch die deutsche Sprache lernen. "Ich habe leider Englisch als Fremdsprache gehabt. Aber ich habe schon mit einem Schüler hier in Minden eine Verabredung getroffen. Er bringt mir Deutsch bei und ich ihm den Glauben."
20./21.03.2004
mt@mt-online.de
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