Lippische Landes-Zeitung ,
15.12.1992 :
Eray Eryazici kämpft für Frieden in der Türkei / "Mit Gefängnishaft rechne ich schon"
Bad Salzuflen (Rei). Als der 29-jährige Salzufler Eray Eryazici am vergangenen Mittwoch in das Gelände des Fliegerhorstes Bremgarten eindrang und die Flugzeughangars mit Schnellbeton verschloss (die LZ berichtete), war er sich der möglichen Konsequenzen bewusst: "Ich weiß, mit einer Gefängnishaft muss ich schon rechnen. Mit friedlichem zivilen Ungehörsam wollen wir auf die Folgen von Waffenlieferungen an die Türkei aufmerksam machen. Eine Gerichtsverhandlung würde mir dabei sogar helfen."
Eray Eryazici hat sich voll in den Dienst des Projektes "Pflugschar für Kurdistan" gestellt, das sich gegen die Unterdrückung der Kurden in der Türkei richtet. Aus Bremgarten bei Freiburg und Leck bei Flensburg sollen in diesen Tagen 46 Phantomjagdflugzeuge auf Beschluss des Bonner Verteidigungsausschusses in die Türkei geliefert werden: "Wir haben Beweise, dass mit den Waffen aus Deutschland Kurden ermordert werden", so Eryazici gestern zur LZ.
Vor der Aktion gegen die Waffenlieferung hatte sich der Salzufler gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des Carl-Kabat-Friedenshauses in Mutlangen im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten der Türkei umgesehen: "Der Staat ist eine Scheindemokratie, durch und durch militarisiert. In Türkisch-Kurdistan gibt es keine Menschenrechte. Die Militärs verfolgen und foltern die Menschen."
Nach der Übernahme der Macht durch die Koalitionsregierung von Ministerpräsident Demirel im Oktober 1991 sei alles noch schlimmer geworden: "Wer durchs Land fährt, wird alle fünf Minuten von Militärs angehalten. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, dass die Soldaten NATO-Waffen oder Gewehre aus alten NVA-Beständen tragen."
Für Eryazici steht außer Frage, dass die "Rüstungssonderhilfe" der Bundesrepublik für den NATO-Partner Türkei mit zur Verschärfung des Konflikts beiträgt: "Niemand kann überprüfen, ob die Waffen aus Deutschland nicht doch im Kampf gegen die Kurden eingesetzt werden." Eryazici wird weiter im Projekt "Pflugschar für Kurdistan" für Frieden in der Türkei kämpfen: "Mein großes Ziel ist, im kommenden März mit Politikern nach Türkisch-Kurdistan zu fahren, um den Verantwortlichen die Folgen ihrer Entscheidungen vor Ort zu zeigen. Gespräche mit der Regierung und mit Opfern deutscher Waffen könnten vielleicht etwas bewirken."
Salzuflen@lz-online.de
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