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Die Glocke , 12.03.2004 :

"Hatte man denn eine Wahl" / Die Frage nach der Individualität von Schuld

Sendenhorst (ulf). "Hatte man denn eine Wahl - Die Frage nach persönlicher Verantwortung", so lautet das Thema der sechsten "Woche der Brüderlichkeit", die am Sonntag, 14. März, eröffnet wird.

"Der Titel ist etwas provokant gewählt", erklärt Mitveranstalter Gerd Wilpert: "Er meint aber gerade nicht, dass man keine Wahl hatte. Vielmehr wollen wir sehen, was das für Täter sind und warum sie dazu wurden." Denn, so erläutert der Realschulrektor, gerade in den letzten zehn Jahren habe sich in der Geschichtsforschung zum Nationalsozialismus ein Wandel vollzogen, der die persönliche Verantwortung stärker akzentuiert. Und daraus sei hervorgegangen, dass die Täter eben nicht nur hereingezogen worden sind und einfache Mitläufer waren. Daher wolle auch die "Woche der Brüderlichkeit" die Frage nach der Individualität von Schuld und Verantwortung thematisieren.

Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass auch Widerstand möglich und vorhanden war. "Es ist eine landläufige Meinung, dass man nichts tun konnte, ohne schwere persönliche Konsequenzen auf sich zu nehmen", so Wilpert. Aber eben das stimme nicht: "Es gibt zum Beispiel keinen Beleg dafür, dass ein Soldat, der sich geweigert hat, an Erschießungen teilzunehmen, bestraft wurde." Und so solle auch der politische Impuls der Veranstaltungswoche sein: "Zivilcourage. Tu etwas, darauf kommt es an."

Ähnlich sieht auch Prof. Dr. Herbert Ulonska (Bild rechts) den theologischen Aspekt der Veranstaltungswoche: "Jeder muss sich selbst verantworten." Nur aus diesem Bewusstsein erwachse Zivilcourage, welche wiederum zum Widerstand führe. Insgesamt zeigte sich der Wissenschaftler, der die "Woche der Brüderlichkeit" seit ihren Anfängen begleitet und unterstützt, sehr zufrieden: "Es ist ein anspruchsvolles Programm. Aber diese Geschichte lässt niemanden unberührt."

Programm der Woche der Brüderlichkeit

Sendenhorst (ulf). Ein anspruchsvolles Programm sei es, sagt der Theologe Prof. Dr. Herbert Ulonska. Und folgendes haben er und die Organisatoren von der Stadt, der Realschule, der katholischen Pfarrgemeinde und der VHS Ahlen auf die Beine gestellt: Es beginnt mit einer von Ulonska moderierten Eröffnungsveranstaltung am Sonntag, 14. März, um 17 Uhr im Haus Siekmann. Hier spricht der Geschichtswissenschaftler Dr. Alfons Kenkmann zum Thema: "Zwischen Anpassung und Weltanschauung: Täter im NS-Staat." Am Dienstag, 16. März, wird dann um 19.30 Uhr im Haus Siekmann der viel beachtete Film "Der Pianist" von Roman Polanski, der im Warschauer Ghetto spielt, gezeigt. Unter theologischen Aspekten bildet die Veranstaltung vom Donnerstag den Mittelpunkt. Hier ist um 19.30 Uhr der Kantor der Jüdischen Gemeinde Münster, Efraim Yehoud-Desel, in der Friedenskirche zu Gast. Sein Thema: "Die Frage von Willensfreiheit und Verantwortung des Menschen in der Liturgie des Pessachfestes." Den Abschluss der "Woche der Brüderlichkeit" bildet dann die Doppelvorstellung eines Oratoriums nach Musik von Klaus Heizmann mit der Gruppe Saitenwind. Das Stück mit dem Titel "Ein Ruf in die Freiheit - Gottes Liebesgeschichte mit Israel" wird zunächst am Freitag, 19. März, um 19 Uhr in der Pfarrkirche St. Ludgerus Albersloh und dann am Sonntag, 21. März, um 17 Uhr in der Pfarrkirche St. Martin Sendenhorst aufgeführt.


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