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Lippische Landes-Zeitung , 13.01.1993 :

Diskussion über Belegung des "Bergcafés" in Talle mit Asylbewerbern / "Exponierte Ortskern-Lage beschwört Konflikte herauf"

Kalletal-Talle (D.K.). Buchstäblich mit dem Rücken zur Wand standen Gemeindedirektor Klaus Fritzemeier und Beigeordneter Heino Block bei der Informationsveranstaltung der Dorfgemeinschaft Talle zum Kauf des "Bergcafés" durch die Gemeinde und zur Belegung mit Aussiedlern und Asylbewerbern. Nachdem eingangs bei den von Fritzemeier aufgefächerten Problemen, vor die sich die Gemeinde Kalletal bei der Unterbringung dieses Personenkreises gestellt sieht, die Köpfe immer tiefer sanken, war die Müdigkeit wie weggewischt, als die "Katze
aus dem Sack" gelassen wurde.

Der Umbau dauert etwa drei Monate

In Zahlen: Mit 60 bis 80 Aussiedlern und Asylbewerbern sollen die Räume des Bergcafés, des einstigen Renommierbetriebes, belegt werden. Im einzelnen: Sechs bis acht Quadratmeter pro Person werden veranschlagt, die Umbauarbeiten sollen sich auf das Notwendigste beschränken (Sanitärräume, leichte Trennwände) und etwa zwei bis drei Monate dauern. Zuvor warb der Gemeindedirektor für diese unpopuläre Maßnahme, sie stelle für die Kommune die letzte Möglichkeit dar, nachdem der Fohlenhof in Bavenhausen gekauft und der Niedermeiner Hof für sechs Monate gemietet sei, um die von der Landesaufnahmestelle avisierten Menschen aufzunehmen. Die Gemeinde wolle nicht Turnhallen oder Dorfgemeinschaftshäuser zur Nutzung heranziehen, so Fritzemeier.

In der anschließenden engagierten, aber sachlich geführten Diskussion wurde jedoch eines deutlich und zog sich wie ein roter Faden durch alle Diskussionsbeiträge - die aller Meinung nach verfehlte Standortentscheidung. Rainer Dubbert vom Sportverein: "Wir Taller sind nicht fremdenfeindlich, aber die exponierte Lage im Dorfmittelpunkt, praktisch auf dem Präsentierteller, beschwört Konflikte herauf. Rat und Verwaltung haben unverantwortlichgehandelt."

Pastor Dirk Hauptmeier: "Wir wollen unseren Beitrag leisten, doch viele Personen auf engstem Raum, ohne Freiräume im Umfeld des Bergcafés werden die Toleranz der Taller beanspruchen. Es hätte bessere Lösungen geben können." "Was passiert", so ein Taller, "wenn bei den Beatabenden in der gegenüberliegenden Wirtschaft die Zunge nach einigen Bieren nicht mehr so fest, die Fäuste aber um so lockerer sind ... "

Das Beste aus der Situation machen

Rosemarie Bickley vom SPD-Ortsverein: "Wir sollten das Beste aus der Situation machen und auf die Leute zugehen, sie aus der Anonymität herausholen, je mehr Gespräche, desto weniger Probleme treten auf." Dieter Hartwig, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft, gab den beiden Gemeindespitzen schlussendlich ihre "Hausaufgaben" auf den Weg: Sorge dafür zu tragen, ein ausgewogenes Verhältnis von Aussiedlern und Asylkbewerbern herzustellen und mögliche Reibungspunkte im Vorfeld auszuräumen.


Lemgo@lz-online.de

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