Lippische Landes-Zeitung ,
13.01.1993 :
"Panorama"-Bericht / NF-Verbot: Zweifel an Wirksamkeit
Detmold-Pivitsheide V.L. (da). Ein Bericht des NDR-Fernsehmagazins "Panorama" hat Zweifel genährt, dass das im November von Innenminister Rudolf Seiters verfügte Verbot der "Nationalistischen Front" vor den Gerichten Bestand hat. Der Staatsrechtler Wolfgang Hoffmann-Riem äußerte vor den Kameras die Befürchtung, eine spätere Aufhebung des Verbots wegen nicht ausreichender Begründung könne in der Öffentlichkeit als "rechtliche Absegnung" dieser Organisation mißverstanden werden.
Der am Montagabend ausgestrahlte Beitrag, in dem auch Bilder von der Räumung des NF-Zentrums am 27. November 1992 in Pivitsheide gezeigt wurden, beschäftigte sich vor allem mit der Frage, ob bei dem Verbot der "Nationalistischen Front" (NF) und der "Deutschen Alternative" (DA) rechtlich unangreifbar vorgegangen worden ist. Zur Sprache kamen auch noch einmal die Pannen im Vorfeld der Durchsuchung der Räumlichkeiten. So hatte die Operation - wie berichtet - vorgezogen werden müssen, nachdem es in politischen Kreisen zu Indiskretionen gekommen war. Die Sprecherin der Bürgerinitaitive gegen das Nazi-Zentrum, Sigrun Ahle, wiederholte ihren bereits gegenüber der LZ gegebenen Hinweis, dass vor der Räumung noch zahlreiche Unterlagen abtransportiert worden seien.
Zwar sind offensichtlich Angehörige von NF oder DA noch nicht in den Untergrund gegangen - der ehemalige NF-Vorsitzende Meinolf Schönborn äußerte sich jedenfalls ganz offen ("Ich habe das Verbot als Auszeichnung empfunden") -, doch rechnet ihr Anwalt Jürgen Rieger, wie er "Panorama" sagte, mit einer "rechten RAF", falls die Verbote Bestand haben sollten. Die Ziele möglicher Anschläge wusste er ebenfalls zu benennen: Journalisten, Polizisten, Richter.
Warnung vor dem Bumerang
Wesentlich für die Aufrechterhaltung des Verbots ist offensichtlich die Beantwortung der Frage, ob es sich bei NF und DA um Vereine oder politische Parteien handelt. Nur Vereine nämlich können vom Bonner Innenministerium aufgelöst werden. Für Parteien ist demgegenüber das Bundesverfassungsgericht zuständig. Derartige Verfahren dauern aber sehr lange. Andererseits sind beide Organisationen als Parteien im Register der Bundeswahlleitung aufgeführt - und auch vereinzelt schon bei Wahlen angetreten.
Abschließend noch einmal Hoffmann-Riem: der Staat müsse, wenn er den Rechtsextremismus bekämpft, rechtsstaatliche Grundsätze "penibel einhalten". Sonst bestehe die Gefahr, dass ein "Bumerangeffekt" eintrete.
Detmold@lz-online.de
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