Neue Westfälische ,
23.12.1992 :
Antifa: Neonazis wurden von den Parteiverboten kaum beeinträchtigt / Skins als "nützliche Idioten"
Von Alwin Fülle
Bielefeld (ül). "Bei der Nationalistischen Front (NF) hat es ohnehin nur den abgespalteten Schönborn-Flügel getroffen, und die Deutsche Alternative (DA) hat hier fast keine Rolle gespielt." Nüchtern betrachtet, haben die Verbote der beiden rechtsradikalen Parteien auf die Nazi-Szene in Ostwestfalen-Lippe kaum Auswirkungen, weiß Annelie Buntenbach von der Bielefelder Antifa-West.
Die antifaschistische Gruppe sammelt seit Jahren Informationen über braune Umtriebe. Schon Mitte 1992 hätte sich die NF zerstritten und letzlich gespalten. Das belegen zwei Ausgaben interner Zeitschriften und eine Flugschrift Schönborns, die der Antifa zugespielt wurden. Entzündet hatte sich der Streit an den Plänen Schönborns, mit einem "Nationalen Einsatzkommando" (NEK) eine bewaffnete Terrorgruppe aufzustellen. Dahinter witterten Gesinnungsgenossen offensichtlich den Versuch, sich die Macht an der NF-Spitze zu sichern.
Sie kehrten dem gebürtigen Gütersloher den Rücken und machten unter den Namen "Freiheitliche mitteldeutsche Jugend" und "Sozialrevolutionäre Arbeiterpartei" weiter. Dahinter steht laut Antifa unter anderem Andreas Pohl (Berlin), Mathias Schwier (Minden) und Steffen Hupka (Lemgo). Pohls Name wird auch in der NF-Verbotsverfügung genannt, Jürgen Dehmer, Enno Gehrmann und Helmut Braun tauchen auf einer internen Vorstandsliste auf. Genaue Mitgliederzahlen gibt es nicht.
Die sind auch nicht so wichtig, weil sie kaum etwas über die Gefährlichkeit der Gruppen aussagen. So schätzt die Antifa, dass es nur etwa 120 organisierte Neonazis in der Region gibt. Doch die - in Kadergruppen organisiert - benutzen vielfach Jugendgangs wie die Skinheads als "nützliche Idioten", die die Drecksarbeit erledigen und oft auch noch selbst neue Anschläge ausbrüten. Daher geht der Einfluß weit über das hinaus, was die Mitgliederzahlen der einzelnen Grüppchen vermuten lassen.
Mitgliederzahlen nicht so wichtig
Aktivitäten gab und gibt es überall in der Region. In Minden etwa tarnten sich die Neonazis als Bürgerinitiative, die sich angeblich gegen die Wohnungsnot einsetzt. In Steinhagen, bis vor kurzem Wohnsitz des braunen Aktivisten Thomas Hainke, tauchten Flugblätter und Klebebilder auf. In Schloß Holte-Stukenbrock gab es nach Hetzschriften gegen eine "ausländerfreundliche" Familie sogar einen Überfall, bei dem Schüsse fielen - Täter unbekannt, vermutlich Nazis. Tatort Bünde: Hakenkreuzschmierereien im April, pöbelnde Skins im Juli - zehn Meter weiter verteilen die Republikaner "Informationsmaterial". Die Liste ließe sich noch um etliche Punkte erweitern.
Thomas Hainke ist derzeit verschwunden, nachdem seine Wohnung in Steinhagen im Zuge des DA-Verbotes durchsucht worden war. Hauptmieter des Domizils war der inhaftierte Neonazi Bernd Stehmann. Hainkes Abgang ist für die Antifa der einzige größere Erfolg der Aktion. Unter dem Namen Westfalenfront hatte er versucht, den brauen Terror in der Region unter einem Dach zu organisieren. "Aber über das, was Stehmann zuvor auf die Beine gestellt hatte, ist der nicht hinausgekommen", meint Annelie Buntenbach.
Sie sieht dann auch ganz andere Notwendigkeiten als Parteiverbote: "Die Treffpunkte der Leute müssen geschlossen werden, damit sie den Kontakt zum Umfeld einbüßen. Die dürfen an die Jugendlichen gar nicht erst herankommen."
redaktion@neue-westfaelische.de
|