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Lippische Landes-Zeitung , 02.03.2004 :

Das Fünkchen Hoffnung / Die Geschichte der Tima Zekaj aus Dörentrup / Ausreise oder Abschiebung

Von Thorsten Engelhardt

Dörentrup-Wülfentrup. Sie haben versucht, es sich nett zu machen: Kleine Deckchen liegen unter den Tassen in dem alten Wohnzimmerschrank und unter den Kerzenleuchtern im gemeinsamen Zimmer von Tima Zekaj und Güllü Altinbas im Asylheim in Wülfentrup. An der Wand hängen Fotos von Kindern, am Fenster fröhliche Window-Colours-Motive. Dabei ist Tima Zekaj so gar nicht fröhlich zu Mute. Ausreise oder Abschiebung - dieser Wahl sieht sich die 36-jährige Albanerin aus dem Kosovo gegenüber.

Jetzt sitzt sie auf dem blauen Sofa und spricht leise über ihre Geschichte. Eine Geschichte, in der immer wieder Hoffnung zunichte gemacht wurde. Nicht durch bösen Willen oder unkooperative Behörden, einfach durch so etwas wie Schicksal - oder prosaischer - den Lauf der Dinge.

Anfang der 90er Jahre kam sie als Asylsuchende nach Dörentrup. Aus Angst vor der serbischen Polizei, die sie und ihre Familie immer wieder drangsaliert habe. Außerdem konnte sie nur schlecht laufen - ein Hüftschaden. Eine Operation im Herbst 1994 in Deutschland half nicht. Ihr rechtes Bein ist drei Zentimeter kürzer als das linke. Sie kann weder lange stehen noch sitzen, schwer heben darf sie auch nicht.

Dennoch fand Tima Zekaj im Jahr 2000 Arbeit - bei Dr. Uta Halle, die eine Betreuerin für ihre Mutter suchte. Die Kosovarin half der auf dem Rollstuhl angewiesenen alten Dame bei den täglichen Verrichtungen und bildete sich in einem Kursus für häusliche Pflege fort. "Sie hat meiner Mutter ermöglicht, noch zwei schöne Jahre in ihrer eigenen Wohnung zu verleben", sagt Uta Halle. Hat. Denn im Sommer 2002 verstarb Halles Mutter, das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis lief aus. Doch wenige Wochen später fand sich eine neue Pflegestelle in einem Privathaushalt. Wieder sozialversichert und wieder schien sich alles zum Guten zu wenden.

Und so wollte Tima Zekaj im Sommer 2003 gemeinsam mit Uta Halle ins Kosovo reisen, um mit einem Arbeitsvisum dauerhaft nach Deutschland zurück zu kommen. Denn Zekajs Asylantrag ist definitiv abgelehnt. Aber wieder machte das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Im Sommer des vergangenen Jahres starb auch diese von ihr betreute Frau.

Jetzt wird Zekajs eigene Zeit knapp. Das Ausländeramt beim Kreis Lippe hat ihr eine Frist gesetzt, sich bis Mittwoch zur freiwilligen Ausreise zu entscheiden. Wenn nicht, dann muss sie mit der Abschiebung rechnen.

"Tragisch", findet Uta Halle. "Sie hat sich um Integration bemüht, hat nicht von Sozialhilfe gelebt, sie ist behindert und dennoch gibt es nichts mehr, was sie noch retten könnte - es sei denn ein neues Arbeitsverhältnis mit leichter Pflegetätigkeit. Allerdings müsste der neue Arbeitgeber bereit sein, die Stelle zuzusichern, Frau Zekaj aber die Zeit geben, sich im Kosovo ein Arbeitsvisum zu besorgen."

Was einem Sechser im Lotto gleich käme. Und so klammert sich Tima Zekaj ein bisschen an diese Hoffnung, versucht aber dennoch, realistisch zu bleiben. Sie überlegt: "Wenn ich nicht freiwillig ausreise, kann ich nie wieder legal zurückkommen. Aber viele Albaner haben nie wieder ein Einreisevisum bekommen, auch wenn sie eine Arbeitsstelle hatten. Ich weiß nicht, was ich tun soll."

Franz Kemper, der Leiter des Ausländeramtes beim Kreis Lippe, kann ihr nur zur freiwilligen Ausreise raten. "Schon seit August 2002, als ihre Petition beim Landtag abgelehnt wurde, ist Frau Zekaj ausreisepflichtig. Da beißt die Maus keinen Faden ab", sagt er. Mit Rücksicht auf die Arbeitsverhältnisse habe man immer wieder die Augen zugedrückt. "Wir haben ihr viele goldene Brücken gebaut, aber mehr geht nicht mehr", sagt Kemper, der selbst eine gewisse Tragik in der Situation sieht. "Eine freiwillige Ausreise würde ihr wenigstens eine geringe Chance eröffnen, mit einer Arbeits-Aufenthaltsgenehmigung eines Tages zurückzukehren." Wie ein solches Verfahren ausgehen könne, kann aber auch der Leiter des Ausländeramtes nicht sagen. Doch sicher ist: Mit einer Abschiebung stirbt auch dieses Fünkchen Hoffnung für Tima Zekaj.


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