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Die Glocke , 01.03.2004 :

Ausstellung "Juden in Deutschland heute" / Serotta-Fotos von erstaunlicher Eindringlichkeit

Telgte (gl). Der Titel der Ausstellung, die gestern im Telgter Rathaus eröffnet wurde, lautet "Juden in Deutschland heute - Photographien von Edward Serotta". Die Botschaft, die durch die Schwarz-Weiß-Fotos vermittelt wird, ist laut Professor Dr. Peter Maser folgende: "Jüdisches Leben ist wieder nach Deutschland zurückgekehrt." Über Jahrzehnte hinweg habe die immer kleiner werdende Gruppe der Juden in der Bundesrepublik lediglich das Andenken an die Opfer des Holocaust pflegen können, rief Maser in seiner Einführung in Erinnerung. Erst ganz allmählich sei die jüdische Gemeinschaft in diesem Land wieder zu neuem Leben erwacht.

Diese Entwicklung, für Maser das eigentliche Thema der Ausstellung, stellte er am Beispiel eines Fotos genauer dar. Auf dem Bild eines Chanukka-Tanzabends (dem jüdischen Weihnachtsfest) beim jüdischen Kulturverein in Berlin entdeckte der Mitarbeiter des Ostkirchen-Institutes der Westfälischen Wilhelms-Universität im Hintergrund zufällig ein Banner mit der Aufschrift "Erinnerung = Leben". Dieser Gedanke habe das Selbstverständnis der Juden lange Zeit geprägt. "Aus heutiger Sicht kann man die Formel ändern in "Erinnerung + Leben", befand Maser und führte aus: "Die jüdische Gemeinschaft hat wieder eine Zukunft in Deutschland. Viele sind dabei, Deutschland wieder als ihre Heimat anzusehen und einen gleichberechtigten Platz in unserer Gesellschaft einzunehmen."

Diese Mehrpoligkeit werde auch in der Ausstellung deutlich. Auf der einen Seite zeigten die in den 90er Jahren aufgenommenen Bilder bewegende Momente aus dem Leben der Opfergeneration - etwa wenn diese an den Ort der Schrecken zurückkehrten. Auf der anderen Seite vermittelten die Aufnahmen des amerikanischen Fotografen Edward Serotta auch die Unbekümmertheit der Jugend. "Wir hätten niemals darauf hoffen können, außer der Erinnerung noch einmal jüdisches Leben in Deutschland erleben zu können", sprach Maser abschließend von "einem Stück unverdienter Gnade für unser Volk".

Die Wanderausstellung, die in Kooperation zwischen dem Haus der Geschichte in Bonn, dem Jüdischen Museum Frankfurt und Serotta entstand, wurde vom Kulturbüro und dem Verein "Erinnerung und Mahnung" nach Telgte geholt. Dort ist sie noch bis zum 25. März während der Öffnungszeiten des Rathauses kostenlos zu besichtigen.


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