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Neue Osnabrücker Zeitung
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01.03.2004 :
Durch diese Polizeisperren kam nicht mal eine Maus
Von Beate Dammermann
Sie waren überall und kamen aus allen Richtungen: in Mannschaftsstärken zu Fuß, mit Hunden, auf Pferden: Gut 3.000 Polizeibeamte riegelten am Samstagmittag für mehrere Stunden Teile der Innenstadt hermetisch ab und verhinderten mit dem größten Polizeiaufgebot der neueren Geschichte, dass etwa 200 Autonome zu dem NPD-Aufmarsch vordringen konnten.
Als die friedliche Demonstration des bürgerlichen Bündnisses den Ledenhof erreicht hatte, setzten sich gut 200 "gewaltbereite Randalierer" (Polizei) in Richtung Neumarkt ab und versuchten, zur NPD vorzudringen. Doch sofort stand die Polizeisperre. Eine Weile gab es ein Hase-und-Igel-Spiel. Über die Große Straße, durch Kaufhäuser und Gassen versuchten die zum Teil alkoholisierten Linken, Schlupflöcher zu finden, um Richtung Bahnhof und Nazi-Aufmarsch durchzukommen.
Doch wo sie auch hinkamen, die Polizei war schon da. Etwas kritisch wurde die Situation an der Ecke Schillerstraße/Berliner Platz. Es flogen Steine und Flaschen gegen die Polizei. Die Polizeiübermacht hielt die gut 100 Autonomen so lange vom Sperrgebiet fern, bis die Nazis die Stadt verlassen hatten.
Aus ganz Deutschland waren die Hundertschaften von Polizei und Bundesgrenzschutz gekommen, aus Hessen ebenso wie aus Sachsen-Anhalt: knapp 3000 Beamte, die verpflegt werden mussten und die zum Teil in Kasernen übernachteten.
Die Polizei hatte angekündigt, NPD und Autonome auseinander zu halten. Das gelang, doch viele Passanten in der City mussten mit Behinderungen fertig werden. Ab 11.30 Uhr war der Neumarkt komplett abgeriegelt, ebenso alle Straßen, die zur Demonstrationsstrecke der NPD hinführten.
An Polizeisperren gab es für die Bürger teilweise kein Weiterkommen, an anderen Orten wurden Passanten in Gruppen unter Polizeibegleitung zum Bahnhof gebracht. Die Stadtwerke leiteten für Stunden alle Buslinien über den Wall, Autofahrer standen in Staus oder mussten Umwege in Kauf nehmen. Da Sperren sehr frühzeitig und spontan errichtet wurden, gab es zeitweise Ratlosigkeit und Durcheinander bei Helfern und Bürgern. Taxifahrer mussten ihre Fahrgäste häufig weit ab vom Ziel absetzen, die Passagiere versuchten dann, zu ihrem Ziel zu Fuß zu kommen. Außerhalb des gesperrten Gebietes blieb alles friedlich, Geschäfte waren offen.
Nach Polizeiangaben wurden 87 Personen, darunter 32 Jugendliche, vorübergehend festgenommen. Gegen 62 werden Ermittlungsverfahren eingeleitet, u.a. wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung.
De NPD war mit etwa 200 Anhängern da. Mit Bomberjacken- und Springerstiefelverbot und anderen Auflagen belegt, standen sie drei Stunden am Güterbahnhof zwischen Hamburger Gittern eingepfercht, registriert, fotografiert und überwacht von der Polizei. Am Vormittag waren Rechte und Linke im Zug aufeinander getroffen, hatten Waggons demoliert. Bis die nach den Festnahmen wieder frei waren, wurde gewartet. Der NPD-Zug über Kollegienwall, Berliner Platz und Bahnhof wurde wie eine Herde von der Polizei bewacht und führte durch menschenleere, abgeriegelte Straßen. Selbst dort, wo die Rechten in Sichtweite von Bürgern und Gegendemonstranten kamen, konnte ihre Parolen niemand hören.
f.wiebrock@neue-oz.de
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