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Antifa AG Universität Bielefeld ,
29.02.2004 :
28. Februar 2004: Anarchie und Chaos sind exzellent - Ein Tag in Osnabrück
Wer wusste bis heute schon, dass auch in Aurich, Leer und Delmenhorst richtige Einsatzhundertschaften existieren? Aber nicht nur aus allen Winkeln Niedersachsens, sondern auch aus den BGS-Kasernen, aus Bremen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt waren die Akteure der "Mannschaft des Tages" nach Osnabrück gereist.
Warum? Handgezählte 168 Anhänger der NPD mussten bei ihrem Anliegen, die verstärkte Fortpflanzung der Deutschen einzufordern, beschützt werden ...
So war dann ein beträchtlicher Teil der Innenstadt ganztägig lahmgelegt - ein McDonalds war "aus technischen Gründen" geschlossen, Sparkassen-Foyers verriegelt, die Kundschaft der Kaufhof-Galeria zeitweilig eingesperrt. Die Deutsche Bahn entschuldigte sich mit holprigen Lautsprecherdurchsagen für die durchaus konsumentInnenfeindliche BGS-Präsenz.
Es war für AntifaschistInnen dann auch tatsächlich unmöglich, den Nazi-Aufmarsch durch Blockaden zu stören. Dabei kam es seitens der Polizei auch zum Einsatz von Schlagstock und Reizgas/Pfefferspray sowie zu Festnahmen. Einige der Rechtsdehnungen, die auch an diesem Tag von Seiten der Polizei begangen wurden: Platzverweise, deren Quittierung verweigert wurde - da kein Papier vorhanden sei; Fadenscheinige Begründungen für Platzverweise (" ... Sie sehen aus, wie eine Gruppe, die hier nicht sein darf ... "); Verweigerung von Auskunft über Grund und Grundlage von polizeilichen Maßnahmen; Verweigerung eines Gesprächs mit dem Einsatzleiter. Unnötig zu erwähnen, dass Datenschutzfragen für Team Green wieder einmal keine Rolle spielten: Es wurde wieder gefilmt, was das Zeug hielt, kontinuierlich und situationsunabhängig; aufgenommene Personalien wurden zentral gespeichert und ihre Löschung bleibt wie immer unüberprüfbar.
Viele AntifaschistInnen ließen sich durch all das wenig einschüchtern. Immer wieder wurden kleinere und größere Versuche unternommen, die Aufmarschroute der Neonazis zu erreichen. Nebenher gab es viele kleine symbolische und direkte Aktionen: Müllcontainer brannten; verlaufene Nazis wurden nach Hause geschickt, einiger Unmut regte sich zumindest am Rande des NPD-Aufmarschs; manche Spontandemo "Alles für Alle - und zwar umsonst!" zog durch Einkaufspassagen und Kaufhäuser.
Überhaupt: Durch die Konzentration der Polizei auf den Schutz der Neonazis erwies sich der nicht gesperrte Teil der Osnabrücker Innenstadt als idealer Freiraum für direkte Aktionen. Für die Öffentlichkeit beherrschte mehr oder weniger gut gelaunter linksradikaler Aktionismus das Stadtbild. Es blieb nicht nur bei Sympathiebekundungen, immer wieder auch schlossen sich PassantInnen dem Geschehen tatkräftig an.
Mit der nötigen Phantasie, Entschlossenheit und Motivation hat sich der polizeiliche Belagerungszustand zu einer ansonsten kaum möglichen temporären anarchistischen Zone wenden lassen. Je mehr Polizisten sich an einer Stelle ballen, desto weniger interessieren sie sich dafür, was neben ihnen passiert. Mit dieser Erkenntnis und erweitertem Horizont sollte auch zukünftigen Neonazi-Aufmärschen mit zumindest einem lachenden Auge begegnet werden.
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