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Neue Osnabrücker Zeitung , 18.10.2001 :

"Die Naziszene besteht nicht nur aus Hohlköpfen"

Osnabrück (rll). Die Zahl der aktiven Neonazis in Osnabrück und Umgebung scheint zu sinken. Doch zugleich wird in der rechtsextremen Szene eine stärkere Vernetzung beobachtet. Darauf wies das Osnabrücker Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Antisemitismus jetzt in einem Pressegespräch hin.

Besorgt zeigte sich der Arbeitskreis über die so genannte "Kameradschaft Teutoburger Wald", die rund 30 Mitglieder in Stadt und Landkreis habe, wie Hildegard Winkler vom Verein zur politischen, kulturellen und sozialen Bildung sowie der Begegnung in- und ausländischer Menschen (Avanti e.V.) berichtete. Solche "Freien Kameradschaften" bekämen beim Kampf um den Führungsanspruch in der Nazibewegung immer mehr Gewicht.

Einzelne Aktivisten aus dieser Gruppe engagierten sich auch im Kreisverband der NPD, Infostände würden oft gemeinsam organisiert. Und ein Haus, das die NPD am Harderberg gepachtet habe, stehe auch der "Kameradschaft Teutoburger Wald" zur Verfügung. Äußerlich entsprächen die Mitglieder dieser Gruppe dem Bild des "Naziskins", vermerkt der Avanti e.V.: Das Auftreten sei betont martialisch und könne den Eindruck erwecken, hier habe man es mit "Hohlköpfen" zu tun.

"Hinter den Kameradschaften stecken aber sehr wohl ideologisch geschulte Köpfe, die das Ziel haben, eine nationalsozialistische Gewaltherrschaft aufzubauen", erklärte Hildegard Winkler im Pressegespräch des Aktionsbündnisses. Die Gruppen seien bundesweit vernetzt, bei öffentlichen Auftritten arbeiteten sie Hand in Hand. Im Juni habe der frühere NPD-Vorsitzende Günter Deckert das NPD-Haus in Osnabrück besucht, zuvor seien dort schon andere ideologische Köpfe bei Schulungsveranstaltungen aufgetaucht.

Nach den Beobachtungen der Polizei ist die rechtsextreme Jugendszene in Stadt und Landkreis von ca. 120 Mitgliedern im Vorjahr auf etwa 60 bis 80 geschrumpft. Darauf machte Gertrud Nabrotzky, die Leiterin des Staatsschutzes in Osnabrück, aufmerksam. Diese Entwicklung habe vielleicht auch mit verstärkter Präsenz zu tun, vermerkte die Behördenleiterin. Rechtsextreme Jugendliche würden gezielt von der Polizei angesprochen, ebenso ihre Eltern. Und mit der Duldung von "wilden Treffs" sei es vorbei.

Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund ist nach den Worten von Gertrud Nabrotzky von 73 in 2000 auf bisher 40 in 2001 gesunken. Bei den meisten der aufgezählten Delikte gehe es um Propaganda und Volksverhetzung, aber auch Gewalt habe es gegeben. So sei am Ossensamstag ein dunkelhäutiger Mann von Mitgliedern der rechten Szene zusammengeschlagen worden.

Einen Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten sieht die Polizei in Glandorf. Dort hat sich ein Präventionsrat gebildet, von dessen Arbeit gestern Margret Pues berichtete. Nach ihrer Beobachtung sind die Jugendlichen, die sich von Nazipropaganda beeinflussen lassen, immer jünger. Manchmal habe sie es mit "13- bis 14-jährigen Mädels" zu tun, berichtete Margret Pues. Es sei wichtig, auf diese Jugendliche einzugehen und ihnen alternative Angebote zu machen.

Derweil nehmen die Aktivisten aus der rechten Szene vielleicht schon die nächsten Opfer ins Visier. Walter Schmidt, der Projektteamleiter des Aktionsbündnisses, warnte vor Übergriffen auf muslimische Mitbürger. Bei einer Umfrage unter islamischen Gemeinden in Osnabrück sei ihm bestätigt worden, dass bösartige Anrufe und Pöbeleien für die meisten schon zum Alltag gehörten.


f.wiebrock@neue-oz.de

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